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Gestern hat auch die Nachrichtenagentur dpa in Kabul eine Bestätigung erhalten, dass die afghanische Regierung neuen Sammelabschiebeflügen aus der EU zugestimmt hat. Dies wird in diesem ARD-Bericht zu Kämpfen in Afghanistan kurz zitiert. Laut dpa hieß es:

Afghanistan will nach Monaten der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie wieder Sammelabschiebungen in das Land genehmigen. Unter Auflagen seien künftig wieder Rückführungen möglich, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus dem afghanischen Flüchtlingsministerium. 

Das afghanische Ministerium für Flüchtlings- und Rückkehrer-Angelegenheiten (MoRR) hatte dies bereits am Montag (19.10.2020) offiziell auf seiner Webseite bekannt gegeben – aber nur in einer unscheinbaren Meldung über ein Treffen mit schwedischen Diplomaten und auf Dari. Dies war bisher von keinem Medium aufgegriffen worden. Siehe hier in meinem gestrigen Blogeintrag:

Gestern (am 19.10.2020) teilte das afghanische Ministerium für Flüchtlingsangelegenheiten mit, dass der Vizeminister [Wafiullah Kakar] schwedischen Diplomaten in Kabul informiert habe, „dass der zwischenstaatliche Ausschuss [Afghanistan-EU oder –Schweden?] die Wiederaufnahme der Rückführung afghanischer Flüchtlinge und die Wiederaufnahme der Rückführungsflüge gebilligt habe und dass die [abschiebenden] Länder [hier also im Plural] in allen Phasen der Rückführung [angesichts der Corona-Pandemie] gesundheitliche Vorsichtsmaßnahmen treffen müssten.“

Es wurde dabei nicht deutlich, ob es sich um eine Abmachung mit Schweden handelt (das wie Deutschland ein bilaterales Abschiebeabkommen mit Afghanistan getroffen hat) oder sich auf alle EU-Länder und deren „Joint Way Forward“ (JWF) genanntes Rahmenabkommen bezieht. Die Gültigkeit des JWF war am 6.10.2020 ausgelaufen, aber bis zum Jahresende verlängert worden. 

Kakar hatte vor einigen Monaten Vizeministerin Dr Alema abgelöst, die ins gleiche Amt im Staatsministerium für Friedensfragen gewechselt war, in Deutschland studiert und später lange als Flüchtling in Deutschland gelebt hat.

Es ist unklar, ob schon Sammelabschiebeflüge terminiert wurden.

Die bisher letzte von 33 Sammelabschiebungen aus Deutschland fand im März 2020 statt. Dabei waren weitere 39 Männer aus Sachsen, Hessen, Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen in das Kriegsland verfrachtet worden, begleitet von 94 Sicherheitsbeamten. Die Gesamtzahl der seit Dezember 2016 per Sammelabschiebung aus Deutschland nach Afghanistan zurückgebrachten abgelehnten Asylbewerber hatte sich damit auf 907 erhöht (eine Übersicht am Ende meiner Zusammenfassung hier).

Dpa schrieb weiter:

Afghanistan hat laut Auswärtigem Amt im Bereich der Menschenrechte unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Die Regierung sei aber oft nicht in der Lage, ihre Bürger zu schützen – selbst in Gebieten unter ihrer Kontrolle. 

Letzteres stellt eigentlich ein Abschiebehindernis dar (zum AA-Asyllagebericht Afghanistan hier).

Trotz Corona schoben andere europäische Staaten bis zum 30.3.2020 Menschen nach Afghanistan ab. Pro Asyl zitiert eine Antwort der EU-Kommission vom 24. Juli 2020, der zufolge zwischen 9. Mai 2019 und 30. März 2020 58 Afghan*innen mit Hilfe der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf Linienflügen „rückgeführt“ wurden. Deutschland verwendete bei Abschiebungen nach Afghanistan bisher allerdings keine Linienflüge. Insgesamt seien zwischen dem 13. September 2016 und dem  30. März 2020 aus der EU mit 73 Frontex-Charterflügen 1.844 Afghan*innen rückgeführt worden. Weitere mögliche Abschiebungen direkt aus einzelnen Mitgliedstaaten sind laut Pro Asyl in der Antwort nicht enthalten.

Weiter weist Pro Asyl auf die Tatsache hin, dass die EU sogar Abschiebungen von jungen, unverheirateten Frauen sowie unbegleiteten Minderjährigen laut JWF nicht ausschließt – und sich dies auch künftig vorbehält.

In der afghanischen Community und bei Unterstützern nimmt derweil die Angst vor Abschiebungen wieder zu, da auch weiterhin Ablehnungen von Asylbescheiden zugestellt werden, siehe dieser Fall aus Würzburg. Ähnlich sieht es auch in Österreich aus (hier ein Fall aus der Steiermark).