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   VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20   

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https://dejure.org/2020,46510
VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 (https://dejure.org/2020,46510)
VGH Baden-Württemberg, Entscheidung vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 (https://dejure.org/2020,46510)
VGH Baden-Württemberg, Entscheidung vom 17. Dezember 2020 - A 11 S 2042/20 (https://dejure.org/2020,46510)
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Volltextveröffentlichungen (7)

  • milo.bamf.de

    AufenthG 2004, § 60 Abs 5
    Afghanistan: Abschiebungsverbot für alleinstehende gesunde Männer im arbeitsfähigen Alter ohne soziales oder familiäres Netzwerk und ohne Vorliegen sonstiger begünstigender Umstände

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
  • rechtsportal.de

    AufenthG § 60 Abs. 5 ; EMRK Art. 3
    Antrag auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Afghanistans; Abschiebungsverbot für einen leistungsfähigen, erwachsenen afghanischen Mann infolge der Corona-Pandemie

  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (3)

  • justiz-bw.de (Pressemitteilung)

    Asyl Afghanistan: Abschiebungsverbot für alleinstehende gesunde Männer im arbeitsfähigen Alter ohne soziales oder familiäres Netzwerk und ohne Vorliegen sonstiger begünstigender Umstände

  • lto.de (Kurzinformation)

    Afghane darf nicht abgeschoben werden

  • juraforum.de (Kurzinformation)

    Keine Abschiebung nach Afghanistan wegen Corona

Sonstiges

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Verfahrensgang

Corona: Rechtsprechungsübersichten

 
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Wird zitiert von ... (230)Neu Zitiert selbst (60)

  • VGH Baden-Württemberg, 12.10.2018 - A 11 S 316/17

    Kein Abschiebungsverbot nach Kabul für alleinstehende gesunde Männer im

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie sind auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen (Modifizierung der Senatsrechtsprechung, Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    b) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats führte bislang die humanitäre Situation in Kabul nicht zu dem Schluss, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen, selbst wenn sie nicht über ein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk verfügen, bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind, sofern nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    c) Die bereits vor Ausbruch der Pandemie äußerst problematischen humanitären Bedingungen in Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung aus Deutschland (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 101, und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 202) haben sich durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie weiter verschärft (aa).

    Nach offiziellen Angaben war bereits vor der COVID-19-Pandemie der Anteil der unterhalb der internationalen Armutsgrenze (1,90 USD pro Tag) lebenden afghanischen Bevölkerung von 38, 3 % im Zeitraum 2012/2013 auf 54, 5 % (2016/2017) gestiegen (vgl. KAS, Die COVID-Krise in Afghanistan, Juli 2020, S. 5; vgl. auch BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020, S. 333, Stand: 22.04.2020; EASO, Afghanistan Country of Origin Information Report - Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020, S. 36, und April 2019, S. 34; vgl. auch schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 211).

    Der Arbeitsmarkt in Afghanistan stand bereits vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie unter enormem Druck (vgl. ausführlich hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 225 ff.).

    Die Angaben zur Arbeitslosenquote schwanken je nach Quelle und Erfassungsweise (vgl. ausführlich hierzu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 227 ff.).

    In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 251; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020, S. 329 f., Stand: 22.04.2020; IOM, Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Afghanistan, 23.09.2020, S. 4 f.).

    Entsprechend immens war bereits vor Ausbruch der Pandemie die Konkurrenz im Bereich der Arbeitsplätze für ungelernte Kräfte (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 241).

    Hinsichtlich der Chancen, als Tagelöhner Arbeit zu finden, spielen - wie die Sachverständige Schwörer in der mündlichen Verhandlung nochmals anschaulich bestätigt hat (vgl. Anlage zum Protokoll S. 6 ff., 9 f., 16) - persönliche Kontakte eine essentielle Rolle (vgl. ausführlich zum Ganzen bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 243 ff.).

    Zudem gewährleistet - wie auch die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (vgl. Schwörer, Anlage zum Protokoll S. 7) - das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich sicher sein kann, dass der Arbeitsuchende, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt, vertrauenswürdig ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 243; vgl. auch EASO, Afghanistan Country of Origin Information Report - Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020, S. 31).

    Für manche besteht ihr Netzwerk aus nahen Verwandten, für andere ist es breiter angelegt und kann auch aus Freunden bestehen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 245 ff.).

    Die Versorgung einer hohen Anzahl an Rückkehrern, vor allem aus den Nachbarländern Iran und Pakistan, sowie an Binnenvertriebenen stellt Afghanistan vor große Herausforderungen (grundlegend hierzu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 287 ff.; vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.07.2020, Stand: Juni 2020, S. 1, 18; SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile, 30.09.2020, S. 22; EASO, Afghanistan Country of Origin Information Report - Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020, S. 15).

    (3) Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer (grundlegend bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 261 ff.; zur Lage in Kabul: Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 73 ff., und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 42 ff.).

    In den Städten, vor allen Dingen in Kabul, sind die Lebenshaltungskosten, insbesondere für Wohnraum, im Verhältnis zum Einkommen hoch (vgl. hierzu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 272 ff.; vgl. auch BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020, S. 355, Stand: 18.05.2020; SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile, 30.09.2020, S. 22; EASO, Afghanistan Country of Origin Information Report - Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020, S. 37).

    d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung hält der Senat zumindest vorerst nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244) fest, wonach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK der Abschiebung eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes nach Afghanistan - unabhängig davon, ob dieser vor Ort über ein aufnahmebereites und tragfähiges, familiäres oder soziales Netzwerk verfügt - nur dann entgegensteht, wenn besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können.

    Die finanziellen Hilfen, die ein freiwilliger Rückkehrer erhalten kann, werden seine Existenz im Falle eines fehlenden Netzwerks nicht nachhaltig sichern, sondern bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. eine nur vorübergehende Bedarfsdeckung schaffen können (vgl. bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 437, und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 486).

    Für die Frage der Existenzsicherung eines Rückkehrers, in dessen Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen, haben sie keine nachhaltige Bedeutung (vgl. bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 437, und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 486).

  • VGH Baden-Württemberg, 29.10.2019 - A 11 S 1203/19

    Prüfungsumfang beim erneuten Asylverfahren - Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie sind auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen (Modifizierung der Senatsrechtsprechung, Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 95, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 22, vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 172, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 24, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 24, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 56; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 20, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 21, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 97 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 45).

    Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch "nichtstaatliche" Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt (EGMR, Urteile vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278 ff., vom 21.01.2011 - 30696/09 - , Rn. 253 ff., und vom 27.05.2008 - 26565/05 - , Rn. 42; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 96, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 26, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 21, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 22, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 20; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 104; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 47).

    Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 97, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 28 ff., und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 171; vgl. auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 -, Rn. 187 und 189).

    Es ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan (noch) aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 98, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 28 ff., vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 - juris, S. 13, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108; ebenso Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 48; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 108).

    Ein außergewöhnlicher Fall im vorgenannten Sinne liegt nur bei einem sehr hohen Schädigungsniveau vor, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK "zwingend" sind (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 99, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 36 ff.; vgl. EGMR, vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278, 282 f.; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 25; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 51; Bay. VGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19).

    Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 100, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 44 ff.; vgl. auch Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 22, und vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 23; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 46).

    b) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats führte bislang die humanitäre Situation in Kabul nicht zu dem Schluss, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen, selbst wenn sie nicht über ein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk verfügen, bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind, sofern nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    c) Die bereits vor Ausbruch der Pandemie äußerst problematischen humanitären Bedingungen in Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung aus Deutschland (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 101, und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 202) haben sich durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie weiter verschärft (aa).

    Kabul gilt damit als eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 41; Finnish Immigration Service, Afghanistan: Fact-Finding Mission to Kabul in April 2019, S. 3).

    Das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans ist Kabul (vgl. hierzu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 46).

    Die soziale und infrastrukturelle Fähigkeit der Stadt Kabul, Neuankömmlinge aufzunehmen, gelangt an Grenzen (ausführlich hierzu bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 43 f.; Finnish Immigration Service, Afghanistan: Fact-Finding Mission to Kabul in April 2019, S. 10 f.).

    (3) Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer (grundlegend bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 261 ff.; zur Lage in Kabul: Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 73 ff., und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 42 ff.).

    Die hygienischen Bedingungen sind oftmals prekär (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 74, vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 43, und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/16 -, juris Rn. 279; Schwörer, Gutachten Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan, 30.11.2020, S. 12; Finnish Immigration Service, Afghanistan: Fact-Finding Mission to Kabul in April 2019, S. 13 ff.).

    In Kabul gibt es eine Vielzahl privater Unternehmen, die tausende Familien (wohl illegal) mit Wasser versorgen (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 75, und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 44).

    Mit der Sicherheitslage in Kabul hat sich der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 16. März 2020 (A 11 S 2516/18 und A 11 S 2977/18, beide n.v.), vom 29. November 2019 (A 11 S 2376/19, juris Rn. 80 ff.) und vom 29. Oktober 2019 (A 11 S 1203/19, juris Rn. 49 ff.) befasst.

    Dabei zielen Anschläge und Attentate weiterhin auf Einrichtungen und Veranstaltungen, die aufständischen Gruppierungen besonders attraktiv erscheinen, weil damit in der Öffentlichkeit die gewünschten Signale gesetzt werden können (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16. März 2020 - A 11 S 2516/18 -, n.v., S. 9, vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 81, und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 50).

    d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung hält der Senat zumindest vorerst nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244) fest, wonach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK der Abschiebung eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes nach Afghanistan - unabhängig davon, ob dieser vor Ort über ein aufnahmebereites und tragfähiges, familiäres oder soziales Netzwerk verfügt - nur dann entgegensteht, wenn besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können.

  • VGH Baden-Württemberg, 29.11.2019 - A 11 S 2376/19

    Afghanistan; Zumutbarkeit der Niederlassung in einem sicheren Landesteil

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    (3) Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer (grundlegend bereits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 261 ff.; zur Lage in Kabul: Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 73 ff., und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 42 ff.).

    Die hygienischen Bedingungen sind oftmals prekär (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 74, vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 43, und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/16 -, juris Rn. 279; Schwörer, Gutachten Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan, 30.11.2020, S. 12; Finnish Immigration Service, Afghanistan: Fact-Finding Mission to Kabul in April 2019, S. 13 ff.).

    In Kabul gibt es eine Vielzahl privater Unternehmen, die tausende Familien (wohl illegal) mit Wasser versorgen (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 75, und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 44).

    Mit der Sicherheitslage in Kabul hat sich der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 16. März 2020 (A 11 S 2516/18 und A 11 S 2977/18, beide n.v.), vom 29. November 2019 (A 11 S 2376/19, juris Rn. 80 ff.) und vom 29. Oktober 2019 (A 11 S 1203/19, juris Rn. 49 ff.) befasst.

    Dabei zielen Anschläge und Attentate weiterhin auf Einrichtungen und Veranstaltungen, die aufständischen Gruppierungen besonders attraktiv erscheinen, weil damit in der Öffentlichkeit die gewünschten Signale gesetzt werden können (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 16. März 2020 - A 11 S 2516/18 -, n.v., S. 9, vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 81, und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 50).

    Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 33.18 -, juris Rn. 20, und Beschluss vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, juris Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 55, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 31).

    Vor diesem Hintergrund kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne glaubhaft sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, Urteile vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, juris Rn. 16, und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, juris Rn. 15; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 56, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 32).

    Bei der Ermittlung der in Rede stehenden, regelmäßig nur dem Kläger bekannten Umstände bleibt es bei dem allgemein im Asylverfahren geltenden Grundsatz, dass es zunächst Sache des Schutzsuchenden ist, die Gründe für seine Furcht vor Verelendung schlüssig darzulegen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 58; vgl. ferner - zum Vorliegen der (positiven) Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 33.18 -, juris Rn. 26).

    Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 58, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 36).

    Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 59, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 38).

  • VGH Baden-Württemberg, 26.06.2019 - A 11 S 2108/18

    Rückkehr leistungsfähiger, erwachsener Männer nach Kabul ohne

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie sind auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen (Modifizierung der Senatsrechtsprechung, Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 95, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 22, vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 172, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 24, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 24, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 56; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 20, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 21, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 97 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 45).

    Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch "nichtstaatliche" Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt (EGMR, Urteile vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278 ff., vom 21.01.2011 - 30696/09 - , Rn. 253 ff., und vom 27.05.2008 - 26565/05 - , Rn. 42; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 96, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 26, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 21, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 22, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 20; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 104; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 47).

    Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 97, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 28 ff., und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 171; vgl. auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 -, Rn. 187 und 189).

    Es ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan (noch) aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 98, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 28 ff., vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 - juris, S. 13, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108; ebenso Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 48; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 108).

    Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 32 f., m. w. N.).

    Ein außergewöhnlicher Fall im vorgenannten Sinne liegt nur bei einem sehr hohen Schädigungsniveau vor, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK "zwingend" sind (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 99, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 36 ff.; vgl. EGMR, vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278, 282 f.; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 25; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 51; Bay. VGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19).

    Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 100, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 44 ff.; vgl. auch Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 22, und vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 23; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 46).

    b) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats führte bislang die humanitäre Situation in Kabul nicht zu dem Schluss, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen, selbst wenn sie nicht über ein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk verfügen, bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind, sofern nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    (6) Andererseits können Rückkehrer aus dem Westen - anders als die übrige Bevölkerung - von Unterstützungsmaßnahmen profitieren (vgl. bereits ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 89 ff.).

    d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung hält der Senat zumindest vorerst nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244) fest, wonach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK der Abschiebung eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes nach Afghanistan - unabhängig davon, ob dieser vor Ort über ein aufnahmebereites und tragfähiges, familiäres oder soziales Netzwerk verfügt - nur dann entgegensteht, wenn besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können.

  • VGH Baden-Württemberg, 12.12.2018 - A 11 S 1923/17

    Afghanistan; Provinz Parwan; subsidiärer Schutz; Abschiebungsverbot;

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie sind auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen (Modifizierung der Senatsrechtsprechung, Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    b) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats führte bislang die humanitäre Situation in Kabul nicht zu dem Schluss, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen, selbst wenn sie nicht über ein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk verfügen, bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind, sofern nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244).

    d) Ausgehend von den dargestellten Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Stadt Kabul als End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung hält der Senat zumindest vorerst nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 102, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 106 ff., vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 191 ff., vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 392, und vom 09.11.2017 - A 11 S 789/17 -, juris Rn. 244) fest, wonach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK der Abschiebung eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes nach Afghanistan - unabhängig davon, ob dieser vor Ort über ein aufnahmebereites und tragfähiges, familiäres oder soziales Netzwerk verfügt - nur dann entgegensteht, wenn besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können.

    Es muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 33.18 -, juris Rn. 20, und Beschluss vom 08.02.2011 - 10 B 1.11 -, juris Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 55, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 31).

    Vor diesem Hintergrund kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu, weswegen allein der Tatsachenvortrag des Schutzsuchenden zum Erfolg der Klage führen kann, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne glaubhaft sind, dass sich das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, Urteile vom 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, juris Rn. 16, und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, juris Rn. 15; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 56, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 32).

    Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Schutzsuchenden berücksichtigt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 58, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 36).

    Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 59, und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -, juris Rn. 38).

  • OVG Bremen, 24.11.2020 - 1 LB 351/20
    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 95, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 22, vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 172, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 24, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 24, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 56; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 20, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 21, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 97 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 45).

    Stellen die dortigen Verhältnisse einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar, ist zu prüfen, ob auch in anderen Landesteilen derartige Umstände vorliegen (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 27, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 27, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 58; ähnlich Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 49).

    Ob eine solche Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit vorliege, sei im Rahmen einer sorgfältigen Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, die nachteilige Faktoren, aber auch begünstigende Umstände des jeweils Betroffenen berücksichtigt (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 28 ff., und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 41 ff.).

    Nach Angaben des World Food Programme besteht aktuell die Möglichkeit, an drei Tagen wöchentlich Arbeit zu finden, was dem Stand von Anfang März 2020 entspreche (vgl. WFP, Afghanistan Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 29, 02.12.2020, S. 7; siehe auch OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 40, und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 40).

    Denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die derzeitigen, durch das Auftreten von COVID-19 verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, nur vorübergehender Natur sind und sich bereits alsbald wieder bessern werden (so auch die Einschätzung des OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 51, und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 51; ebenso VG Hannover, Urteil vom 09.07.2020 - 19 A 11909/17 -, juris Rn. 43; VG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris Rn. 110).

    Derartige Umstände können insbesondere dann gegeben sein, wenn der Schutzsuchende in Afghanistan ein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk hat, er nachhaltige finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfährt oder über ausreichendes Vermögen verfügt (so auch VG Hannover, Urteil vom 09.07.2020 - 19 A 11909/17 -, juris Rn. 44; VG Cottbus, Urteil vom 29.05.2020 - 3 K 633/20.A -, juris Rn. 53; VG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris Rn. 107; (zumindest teilweise auch) auf eine besondere Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Rückkehrers abstellend: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris Rn. 136; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 52 ff., und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 52 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 07.08.2020 - 1 A 3562/17 -, juris Rn. 57, 59 f.; an der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung festhaltend Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 42 ff., und vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 43 ff.; VG Freiburg, Urteile vom 08.09.2020 - A 8 K 10988/17 -, juris Rn. 37 m.w.N., und vom 21.07.2020 - A 15 K 2291/17 -, juris Rn. 62).

    Dagegen geht der Senat mit Blick auf die plausiblen Erläuterungen der Sachverständigen Schwörer nicht davon aus, dass eine besondere Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder fachliche Qualifikation des Betreffenden Umstände sind, die für sich allein bewirken, dass er im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan in der Lage wäre, dort aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums nachhaltig zu sichern (a.A. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris Rn. 136; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 52 ff., und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 52 ff.).

  • OVG Bremen, 22.09.2020 - 1 LB 258/20

    Abschiebungsverbot für alleinstehenden jungen Mann; Auswirkungen der

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 95, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 22, vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 172, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 24, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 24, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 56; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 20, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 21, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 97 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 45).

    Stellen die dortigen Verhältnisse einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar, ist zu prüfen, ob auch in anderen Landesteilen derartige Umstände vorliegen (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 27, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 27, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 58; ähnlich Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 49).

    Ob eine solche Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit vorliege, sei im Rahmen einer sorgfältigen Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, die nachteilige Faktoren, aber auch begünstigende Umstände des jeweils Betroffenen berücksichtigt (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 28 ff., und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 41 ff.).

    Nach Angaben des World Food Programme besteht aktuell die Möglichkeit, an drei Tagen wöchentlich Arbeit zu finden, was dem Stand von Anfang März 2020 entspreche (vgl. WFP, Afghanistan Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 29, 02.12.2020, S. 7; siehe auch OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 40, und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 40).

    Denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die derzeitigen, durch das Auftreten von COVID-19 verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, nur vorübergehender Natur sind und sich bereits alsbald wieder bessern werden (so auch die Einschätzung des OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 51, und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 51; ebenso VG Hannover, Urteil vom 09.07.2020 - 19 A 11909/17 -, juris Rn. 43; VG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris Rn. 110).

    Derartige Umstände können insbesondere dann gegeben sein, wenn der Schutzsuchende in Afghanistan ein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk hat, er nachhaltige finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfährt oder über ausreichendes Vermögen verfügt (so auch VG Hannover, Urteil vom 09.07.2020 - 19 A 11909/17 -, juris Rn. 44; VG Cottbus, Urteil vom 29.05.2020 - 3 K 633/20.A -, juris Rn. 53; VG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris Rn. 107; (zumindest teilweise auch) auf eine besondere Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Rückkehrers abstellend: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris Rn. 136; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 52 ff., und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 52 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 07.08.2020 - 1 A 3562/17 -, juris Rn. 57, 59 f.; an der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung festhaltend Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 42 ff., und vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 43 ff.; VG Freiburg, Urteile vom 08.09.2020 - A 8 K 10988/17 -, juris Rn. 37 m.w.N., und vom 21.07.2020 - A 15 K 2291/17 -, juris Rn. 62).

    Dagegen geht der Senat mit Blick auf die plausiblen Erläuterungen der Sachverständigen Schwörer nicht davon aus, dass eine besondere Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder fachliche Qualifikation des Betreffenden Umstände sind, die für sich allein bewirken, dass er im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan in der Lage wäre, dort aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums nachhaltig zu sichern (a.A. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris Rn. 136; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 52 ff., und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 52 ff.).

  • VGH Baden-Württemberg, 03.11.2017 - A 11 S 1704/17

    Zuerkennung subsidiären Schutzes; Gefahrenlage für eine Bevölkerungsgruppe wegen

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 95, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 22, vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 172, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 24, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 24, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 56; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 20, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 21, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 97 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 45).

    Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 97, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 28 ff., und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 171; vgl. auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 -, Rn. 187 und 189).

    Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12. -, juris Rn. 26 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 190, 194; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 53).

    Die finanziellen Hilfen, die ein freiwilliger Rückkehrer erhalten kann, werden seine Existenz im Falle eines fehlenden Netzwerks nicht nachhaltig sichern, sondern bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. eine nur vorübergehende Bedarfsdeckung schaffen können (vgl. bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 437, und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 486).

    Für die Frage der Existenzsicherung eines Rückkehrers, in dessen Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen, haben sie keine nachhaltige Bedeutung (vgl. bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 437, und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 486).

    Einer Entscheidung zum nationalen Abschiebungshindernis aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf es nicht, da es sich bei den Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 494 ff.).

    a) Die in Ziffer 5 verfügte Abschiebungsandrohung nebst Ausreiseaufforderung und -frist ist mit Blick darauf, dass die Voraussetzung des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG nicht erfüllt ist, zumindest gegenstandslos (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.1998 - 9 C 1.97 -, juris Rn. 17), wenn nicht gar rechtswidrig und jedenfalls aus Klarstellungsgesichtspunkten aufzuheben (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 498; Pietzsch, in: BeckOK AuslR, Stand: 01.10.2020, § 34 AsylG Rn. 47 f.; Bergmann, in: ders./Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 34 AsylG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand: März 2018, § 34 Rn. 141).

  • OVG Niedersachsen, 29.01.2019 - 9 LB 93/18

    "faktischer Iraner"; "real risk"; Abschiebung; Afghanistan; allgemeine Gewalt;

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen (vgl. dazu bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 95, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 22, vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 172, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 4 sowie insbesondere auch juris Rn. 71 m.w.N.; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12, und Beschluss vom 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 9; OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 24, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 24, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 56; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 20, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 21, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 97 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 45).

    Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch "nichtstaatliche" Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt (EGMR, Urteile vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278 ff., vom 21.01.2011 - 30696/09 - , Rn. 253 ff., und vom 27.05.2008 - 26565/05 - , Rn. 42; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 96, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 26, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 21, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 22, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 20; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 104; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 47).

    Ein außergewöhnlicher Fall im vorgenannten Sinne liegt nur bei einem sehr hohen Schädigungsniveau vor, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK "zwingend" sind (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 99, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 36 ff.; vgl. EGMR, vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278, 282 f.; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 25; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 51; Bay. VGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19).

    Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (EGMR, Urteile vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 212 ff., vom 27.05.2008 - 26565/05 - , Rn. 34 ff., und vom 06.02.2011 - 44599/98 -, Rn. 36 ff.; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 43; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 52).

    Ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, kann daher nicht verlangt werden (EGMR, Urteile vom 09.01.2018 - 36417/16 -, Rn. 50; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 52).

    Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12. -, juris Rn. 26 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 190, 194; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 53).

    Dies entsprach der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 12.02.2020 - 1 LB 276/19 -, juris Rn. 55 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 06.02.2020 - 13a B 19.33510 -, juris Rn. 17 ff., und vom 28.11.2019 - 13a B 19.33361 -, juris Rn. 17 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.01.2020 - 13 A 11356/19 -, juris Rn. 68; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 149 f.; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 198 ff.; Sächs. OVG, Urteil vom 18.03.2019 - 1 A 348/18.A -, juris Rn. 68 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 55 f.; siehe auch OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 12.06.2019 - 2 A 31/19 -, juris Rn. 11, und vom 20.05.2019 - 2 A 194/19 -, juris Rn. 11).

  • VGH Hessen, 23.08.2019 - 7 A 2750/15

    Abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan

    Auszug aus VGH Baden-Württemberg, 17.12.2020 - A 11 S 2042/20
    Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch "nichtstaatliche" Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt (EGMR, Urteile vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278 ff., vom 21.01.2011 - 30696/09 - , Rn. 253 ff., und vom 27.05.2008 - 26565/05 - , Rn. 42; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 96, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 26, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 21, vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 22, und vom 08.11.2018 - 13a B 17.31918 -, juris Rn. 20; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 104; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 47).

    Es ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan (noch) aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (etwa nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (so auch schon VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 98, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 28 ff., vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 - juris, S. 13, und vom 24.07.2013 - A 11 S 697/13 -, juris Rn. 108; ebenso Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 48; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 108).

    Ein außergewöhnlicher Fall im vorgenannten Sinne liegt nur bei einem sehr hohen Schädigungsniveau vor, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK "zwingend" sind (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 99, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 36 ff.; vgl. EGMR, vom 28.06.2011 - 8319/07 und 11449/07 -, Rn. 278, 282 f.; BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 25; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 45; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 51; Bay. VGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 -, juris Rn. 19).

    Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Beschluss vom 13.02.2019 - 1 B 2.19 -, juris Rn. 6, und Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 100, vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 44 ff.; vgl. auch Bay. VGH, Urteile vom 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 22, und vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris Rn. 23; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 46).

    Stellen die dortigen Verhältnisse einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar, ist zu prüfen, ob auch in anderen Landesteilen derartige Umstände vorliegen (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 27, vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 27, und vom 26.06.2020 - 1 LB 57/20 -, juris Rn. 58; ähnlich Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 49).

    Dies entsprach der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 12.02.2020 - 1 LB 276/19 -, juris Rn. 55 ff.; Bay. VGH, Urteile vom 06.02.2020 - 13a B 19.33510 -, juris Rn. 17 ff., und vom 28.11.2019 - 13a B 19.33361 -, juris Rn. 17 ff.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.01.2020 - 13 A 11356/19 -, juris Rn. 68; Hess. VGH, Urteil vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -, juris Rn. 149 f.; OVG NRW, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A -, juris Rn. 198 ff.; Sächs. OVG, Urteil vom 18.03.2019 - 1 A 348/18.A -, juris Rn. 68 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 55 f.; siehe auch OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 12.06.2019 - 2 A 31/19 -, juris Rn. 11, und vom 20.05.2019 - 2 A 194/19 -, juris Rn. 11).

  • BVerwG, 04.07.2019 - 1 C 33.18

    Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eines syrischen

  • VGH Bayern, 26.10.2020 - 13a B 20.31087

    Kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots bezogen auf

  • VGH Bayern, 01.10.2020 - 13a B 20.31004

    Weiterhin kein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich des Ziellandes

  • BVerwG, 13.02.2019 - 1 B 2.19

    Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. des § 60 Abs.

  • OVG Nordrhein-Westfalen, 18.06.2019 - 13 A 3930/18

    Afghanistan, Iran, Existenzminimum, Existenzgrundlage, extreme Gefahrenlage,

  • EGMR, 28.06.2011 - 8319/07

    SUFI AND ELMI v. THE UNITED KINGDOM

  • OVG Rheinland-Pfalz, 30.11.2020 - 13 A 11421/19

    Keine Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen

  • VGH Baden-Württemberg, 09.11.2017 - A 11 S 789/17

    Verfolgungslage für alleinstehende junge Männer in Afghanistan

  • BVerwG, 31.01.2013 - 10 C 15.12

    Afghanistan; Provinz Helmand; Kabul; Abschiebung; Abschiebungsverbot;

  • VGH Baden-Württemberg, 24.07.2013 - A 11 S 697/13

    Widerruf einer Entscheidung über Abschiebungsverbote bei Vorliegen einer

  • BVerwG, 15.04.1997 - 9 C 38.96

    Gefahrenquelle und Staatlichkeit der Mißhandlung bei Art. 3 EMRK -

  • VG Karlsruhe, 15.05.2020 - A 19 K 16467/17

    Abschiebungsverbot für einen afghanischen Asylbewerber wegen der wirtschaftlichen

  • VG Hannover, 09.07.2020 - 19 A 11909/17

    Abschiebehindernis; Abschiebungsverbot; Afghanistan; Alleinstehend; Arbeitsfähig;

  • BVerfG, 15.12.2020 - 2 BvR 2187/20

    Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung der Feststellung

  • BVerwG, 16.04.1985 - 9 C 109.84

    Beiordnung eines Rechtsanwalts als Prozeßbevollmächtigter

  • VGH Baden-Württemberg - A 11 S 2516/18 (anhängig)

    A. gegen Bundesrepublik Deutschland wegen Zuerkennung subsidiären Schutzes

  • EGMR, 27.05.2008 - 26565/05

    N. ./. Vereinigtes Königreich

  • OVG Bremen, 26.05.2020 - 1 LB 57/20

    Abschiebungsverbot nach Afghanistan - Abschiebungsverbot; Asyl Afghanistan;

  • VGH Baden-Württemberg, 26.02.2014 - A 11 S 2519/12
  • EGMR, 21.01.2011 - 30696/09

    Belgische Behörden hätten Asylbewerber nicht nach Griechenland abschieben dürfen

  • VGH Bayern, 08.11.2018 - 13a B 17.31918

    Kein Abschiebungsverbot für Afghanistan

  • VGH Bayern, 28.11.2019 - 13a B 19.33361

    Rückkehrmöglichkeit für alleinstehende arbeitsfähige Männer

  • OVG Saarland, 20.05.2019 - 2 A 194/19

    Grundsätzliche Bedeutung einer Asylrechtssache; Abschiebungshindernis für junge

  • VG Hamburg, 07.08.2020 - 1 A 3562/17

    Zur Sicherheitslage in der Provinz Kabul i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und

  • BVerwG, 27.04.2010 - 10 C 5.09

    Abschiebungsverbot; Anspruchsgrundlage; Beweismaß; beachtliche

  • OVG Bremen, 12.02.2020 - 1 LB 276/19

    Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Übersendung eines elektronischen

  • OVG Saarland, 12.06.2019 - 2 A 31/19

    Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache im Asylverfahren; keine grundsätzliche

  • VG Freiburg, 21.07.2020 - A 15 K 2291/17

    Abschiebungsschutz Afghanistan; Auswirkungen der Corona-Krise

  • EGMR, 09.01.2018 - 36417/16

    X v. SWEDEN

  • BVerwG, 20.02.2013 - 10 C 23.12

    Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft; Ahmadis; Flüchtlingsanerkennung; Folgeverfahren;

  • VGH Bayern, 06.02.2020 - 13a B 19.33510

    Anforderung an das Abschiebungsverbot

  • OVG Sachsen, 18.03.2019 - 1 A 348/18

    Afghanistan; nationale Abschiebungsverbote; humanitäre Verhältnisse; Hazara;

  • EGMR, 16.06.2020 - 42255/18

    M.H. v. FINLAND

  • VGH Baden-Württemberg, 11.04.2018 - A 11 S 1729/17

    Afghanistan: keine willkürlicher Gewalt in der Provinz Maydan Wardak im April

  • BVerwG, 29.06.1999 - 9 C 36.98

    Drittstaatenregelung; Einreise auf dem Luftweg; Einschleusen durch Schlepper;

  • BVerwG, 08.09.2011 - 10 C 14.10

    Abschiebungsschutz; Abschiebungsverbot; subsidiärer Schutz; unionsrechtlich

  • VG Cottbus, 29.05.2020 - 3 K 633/20
  • BVerwG, 08.02.2011 - 10 B 1.11

    Abschiebungsverbot; Beweiswürdigung; Beweismaß; Prognose; Prognosegrundlage;

  • BVerwG, 29.11.1977 - I C 33.71

    Politische Verfolgung - Verfolgerstaat - Asylbewerber - Beitritts zur

  • BVerwG, 28.04.1998 - 9 C 1.97

    Verwaltungsprozessrecht - Rechtsschutzinteresse für Klage auf Verpflichtung zur

  • VG Freiburg, 08.09.2020 - A 8 K 10988/17
  • OVG Rheinland-Pfalz, 22.01.2020 - 13 A 11356/19

    Kein Abschiebungsverbot nach Afghanistan für jungen gesunden Mann bei Rückkehr

  • VGH Baden-Württemberg, 16.03.2020 - A 11 S 2977/18

    S. gegen Bundesrepublik Deutschland wegen Zuerkennung subsidiären Schutzes

  • EuGH, 19.03.2019 - C-163/17

    Jawo - Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und des

  • BVerwG, 04.07.2019 - 1 C 45.18

    Trotz Abschiebungsschutzes einzelner Mitglieder der Kernfamilie ist bei der

  • EuGH, 19.03.2019 - C-297/17

    Ibrahim - Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und

  • VGH Bayern, 21.11.2014 - 13a B 14.30284

    Schlechte humanitäre Bedingungen können eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene

  • VGH Baden-Württemberg, 09.07.2020 - A 11 S 1196/20

    Abschiebung nach Kabul (hier: Veränderung der Sachlage durch Ausbruch des

  • BVerwG, 08.08.2018 - 1 B 25.18

    Abschiebungsverbot; Bulgarien; Extremgefahr; Flüchtlinge; Lebensverhältnisse;

  • EGMR, 13.12.2016 - 41738/10

    Ausweisung, Krankheit, Sperrwirkung, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Straftat,

  • VG Braunschweig, 26.03.2021 - 6 A 34/18
    Seite 15/27 Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Um stände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12. -, juris Rn. 26 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 28 m.w.N.; Nds. OVG, U. v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 53).

    Zudem sehen sich Rückkehrer aus dem westlichen Ausland besonderen Gefahren ausgesetzt (so auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 37 ff. m.w.N.).

    Durch einen Lockdown, Grenzschließungen und einen (vermutlichen) Anstieg der Ar beitslosenzahlen ist die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zurückgegangen; außerdem haben sich die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie negativ auf Ex porte, Produktion, Einkünfte durch Auslandsüberweisungen und Einnahmen durch Steu ern ausgewirkt (vgl. World Bank Group - Afghanistan Development Update - Surviving the Storm, Juli 2020, S. 3, 15; IOM, Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Afghanistan, 23.9.2020, S. 5 f.; SFH, Afghanistan: Gefährdungspro­ file, 30.09.2020, S. 16; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 44-48 m.w.N.).

    Seite 16/27 nistan Informationsbericht über das Herkunftsland - Sozioökonomische Schlüsselindi katoren mit Schwerpunkt auf den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat , August 2020, S. 27 ff.; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 49 und 53, jew. m.w.N.).

    Nach Einschätzung der durch den Verwal tungsgerichtshof Baden-Württemberg gehörten Sachverständigen Eva-Catherine Schwörer seien etwa 16 Millionen Afghanen auf die Einkünfte aus der Tätigkeit als Ta gelöhner angewiesen und es sei seit Ausbruch der Pandemie nahezu unmöglich, ohne vorhandenes soziales Netzwerk eine Arbeit als Tagelöhner zu finden; ihrer Einschätzung nach ist das Angebot an Arbeit für Tagelöhner - vor allem aufgrund der Auswirkungen der Pandemie auf den Bausektor - gesunken und es stehe nunmehr nur an ein bis drei Tagen Arbeit zur Verfügung (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 51).

    An einem Tag verdient ein Tagelöhner in etwa 350 Afghani; unterstellt, er fände an drei Tagen in der Woche Arbeit, stünden ihm in einer Woche 1050 Afghani und damit 150 Afghani pro Tag zur Verfügung, was bei Zugrundelegung des Umrechnungskurses am Tag der mündlichen Verhandlung rund 1, 91 USD und somit in etwa der Armutsgrenze entspricht (vgl. WFP, Afghanistan Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 29, 2.12.2020, S. 7; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 53).

    Allein in Iran sind allerdings 3, 3 Millionen Menschen infolge der Pandemie arbeitslos geworden, darunter viele Afghanen, sodass die für viele Afghanen überlebenswichtigen Überweisungen aus dem Ausland ausgeblieben sind (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 4.5.2020, S. 2; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 55 m.w.N.).

    Die wirtschaftliche Situation, vor allem die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wird noch verschärft durch eine hohe Zahl an Binnenvertriebenen (nach Schätzungen des Auswär tigen Amtes 2, 9 Millionen, vgl. Lagebericht v. 16.7.2020, S. 21 f.) und einer seit Beginn der Pandemie gestiegenen Zahl an Rückkehrern vor allem aus Iran und Pakistan (im Jahr 2020 rund 810.000 Menschen, wobei sich die Zahl der Rückkehrer aus Iran im Vergleich zu den Vorjahren nahezu verdoppelt hat, vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 16.7.2020, S. 1, 18; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 59 ff. m.w.N.).

    Die meisten Migranten lassen sich in Kabul nieder, dabei oft in abgelegenen Gegenden außerhalb des Stadtzentrums in Lagern, in denen oft prekäre, teils slumartige Bedingungen herrschen; die soziale und infrastruktu relle Fähigkeit der Stadt Kabul, Neuankömmlinge aufzunehmen, gelangt an ihre Gren zen (vgl. EASO, Afghanistan Informationsbericht über das Herkunftsland - Sozioökonomische Schlüsselindikatoren mit Schwerpunkt auf den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, August 2020, S. 18, 21 f., 36 ff. und VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 63 m.w.N.).

    Der durchschnittliche Preis für Weizenmehl, Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis stieg zwischen dem 14. März und dem Ende des Jahres 2020 um 11 - 32 %; auch im Januar 2021 haben die Preise für Weizen und Weizenmehl, Reis und Speiseöl - je nach Qualität - weiterhin zwischen 7-47 % über dem Preis vor dem 14. März 2020 gelegen (vgl. WHO-OCHA, Afghanistan: Strategic Situation Report: COVID 19 No. 84, S. 2; Afghanistan Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 38, January 2021, S. 2 abrufbar unter https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/WFP- 0000123534.pdf - zuletzt abg. am 16.2.2021; BFA, Länderinformation der Staatendoku mentation, Country of Origin Information Afghanistan v. 16.12.2020, S. 13; 305; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 69 m.w.N.).

    Die dortigen hygie nischen Bedingungen sind häufig prekär (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendoku mentation, Country of Origin Information Afghanistan v. 16.12.2020, S. 329 und zu allem VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 71-75 m.w.N.).

    In Kabul herrscht seit mehreren Jahren Wasserknappheit; es gibt eine Vielzahl pri­ vater Unternehmen, die Familien (wohl illegal) mit Wasser versorgen (vgl. (UNOCHA, Afghanistan Humanitarian Needs Overview 2020, Dezember 2019, S. 72; BFA, Länder information der Staatendokumentation, Country of Origin Information Afghanistan v. 16.12.2020, S. 300; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 76).

    Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiterhin volatil, wobei starke regionale Unter schiede bestehen; Bedrohungen für Zivilpersonen gehen insbesondere von Kampfhand lungen zwischen den Konfliktparteien, improvisierten Sprengkörpern, Blindgängern und Munitionsrückständen, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 84 und 86, jew. m.w.N.).

    Eine generell hohe Gefährdung jeder Zivilperson durch Anschläge oder Kampfhandlungen lässt sich weiterhin nicht feststellen (vgl. VGH Baden- Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 89 m.w.N.).

    Seite 19/27 4 f.; EASO, Anti-Government Elements (AGEs), Country of Origin Information Report, August 2020, S. 14; VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 84 und 88, jew. m.w.N.).

    Keiner der Befragten hat angege ben, er habe die Unterstützung als ausreichend angesehen (vgl. zu allem VGH Baden- Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 91-97 m.w.N.).

    Kirche in Bayern; 30.10.2007; 20/27">20/27 ökonomische und die Sicherheitslage für die Ansiedlung von Rückkehrern in Betracht kommen, machen sich der als Folge der eingebrochenen Wirtschaft zu verzeichnende Rückgang an Arbeitsmöglichkeiten und gestiegene Lebensmittelpreise bemerkbar (vgl. EASO, Afghanistan Informationsbericht über das Herkunftsland - Sozioökonomische Schlüsselindikatoren mit Schwerpunkt auf den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, August 2020, S. 47 f. und VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 99 m.w.N.).

    Auch in der Provinz Balkh, in der Mazar-e Sharif liegt, wird von einem Ansturm von Rückkehrern aus Iran sowie ausge­ bliebenen Auslandsüberweisungen aus der Türkei, Pakistan und Iran berichtet und es gibt seit Ausbruch der Pandemie nur noch an zwei Tagen - anstatt zuvor an drei Tagen - Arbeit als Tagelöhner (vgl. EASO, Afghanistan Informationsbericht über das Herkunfts­ land - Sozioökonomische Schlüsselindikatoren mit Schwerpunkt auf den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat August 2020, S. 47 f. und VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 100 f.).

    Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt lassen sich den Erkenntnismitteln keine An haltspunkte dafür entnehmen, dass die derzeitigen, durch das Auftreten von COVID-19 verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, nur vorübergehender Natur sind und sich bereits alsbald wie der bessern werden (so auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 102 m.w.N.; OVG Bremen, U. v. 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 5 1 , und v. 22.9.2020 - 1 LB 258/20 -, juris Rn. 5 1 ; ebenso VG Cottbus, U. v. 28.12.2020 - 3 K 2310/16.A -, juris Rn. 45; VG Hannover, U. v. 9.7.2020 - 19 A 11909/17 -, juris Rn. 43; VG Karlsruhe, U. v. 15.5.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris Rn. 110).

    Auch im Falle eines leistungsfähigen erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsver­ pflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland können sind hohen Anforderun­ gen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK regel­ mäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände, wie zum Beispiel ein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netz­ werk, nachhaltige finanzielle Hilfe von Dritten oder eigenes ausreichendes Vermögen, vorliegen (so auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 104 f.; VG Lüneburg, U. v. 5.2.2021 - 3 A 190/16 -, juris Rn. 53; VG Hannover, U. v. 9.7.2020 - 19 A 11909/17 -, juris Rn. 44; VG Karlsruhe, U. v. 15.5.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris Rn. 107; in die Richtung auch noch VG Cottbus, U. v. 28.12.2020 - 3 K2310/16.A - , juris Rn. 45 und U. v. 29.5.2020 - 3 K 633/20.A -, juris Rn. 53, nunmehr bedürfe es nur bei Familien oder vulnerablen Personen der besonders gründlichen Feststellung, dass diese, z.B. aufgrund eines vorhandenen familiären Netzwerkes, in der Lage sein werden, ihr Überleben zu sichern, vgl. U. v. 10.2.2020 - 3 K 2904/17.A - und - 3 K 1656/18.A -, jew. juris Rn. 27; nach dem OVG Bremen gelten aufgrund der Auswirkungen der Pandemie "besondere Anforderungen an Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit" des Rückkehrers, vgl. U. v. 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris Rn. 42; ähnlich auch OVG Rheinland-Pfalz U. v. 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris Rn. 136; VG Hamburg, U. v. 7.8.2020 - 1 A 3562/17 -, juris Rn. 57 ff.; die bisherige Rechtsprechung aufrechterhal­ tend: BayVGH, U. v. 26.10.2020 - 13a B 20.31087 -, juris Rn. 42 ff. und v. 01.10.2020 - 13 a 20.31004 -, juris Rn. 43 ff.; VG Freiburg, U. v. 8.9.2020 - A 8 K 10988/17 -, juris Rn. 37 m.w.N. und v. 21.7.2020 - A 15 K 2291/17-, juris Rn. 62.).

    Einzelrichter ist nach Auswertung der aktuell vorliegenden Erkennt­ nismittel zu der Überzeugung gelangt, dass es auch einem alleinstehenden, erwachse­ nen und leistungsfähigen Mann aufgrund der gravierenden Verschlechterung der huma­ nitären und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan ohne ein erreichbares und tragfähiges soziales Netzwerk nur bei Vorliegen besonderer begünstigender Um­ stände gelingen wird, dort auf legalem Wege seine elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen (so auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 106).

    Die schon vor Ausbruch der Pandemie angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich durch die hohe Anzahl an Binnen­ vertriebenen und Rückkehrern nicht nur auf dem Tagelöhnermarkt weiter verschärft, sondern auch für gut ausgebildete Afghanen verschlechtert (vgl. VGH Baden-Württem­ berg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 107 m.V.a. Schwörer, Gutachten Seite 22/27 Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan, 30.11.2020, S. 16).

    Selbst dann, wenn ein Job auf dem Tagelöhnermarkt gefunden wird, reicht das damit zu erzielende Einkommen nicht absehbar nachhaltig aus, um die Grundbedürf­ nisse zu sichern (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 107 ff.).

    Auch die Mög­ lichkeit des mithilfe der Starthilfe theoretisch möglichen Aufbaus einer Selbstständigkeit, zum Beispiel eines Handwerksbetriebs, könnte nur dann auskömmliche Umsätze gerieren, wenn bereits ein Netzwerk vor Ort vorhanden ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris Rn. 111 m.w.N.).

    Dies gilt insbesondere für in die Sphäre des Schutzsuchenden fallende Tatsachen (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - , juris Rn. 115 m.w.N.).

  • VGH Baden-Württemberg, 22.02.2023 - A 11 S 1329/20

    Zur Rückkehrsituation eines leistungsfähigen erwachsenen Mannes in Afghanistan

    In seiner jüngeren Rechtsprechung zum Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung nach Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GRCh - stellt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 19.03.2019 - C-297/17 u.a. - Rn. 89 ff. und - C-163/17 - Rn. 90 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person "unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not" befindet, "die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre" (kurz: Fehlen von "Bett, Brot, Seife"; vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ., Urteile vom 07.07.2022 - A 4 S 3696/21 - juris Rn. 24, vom 16.12.2021 - A 13 S 3196/19 - juris Rn. 57, vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 106 und vom 29.07.2019 - A 4 S 749/19 - juris Rn. 40; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 60 AufenthG Rn. 87).

    Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 26 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 28 und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 190, 194; NdsOVG, Urteil vom 29.01.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 53).

    Der erkennende Senat hat mit - inzwischen durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 21.04.2021 - 1 C 10.21 - juris) aufgehobenem - Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 105 die Auffassung vertreten, dass angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie auch im Falle eines leistungsfähigen erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK regelmäßig erfüllt sind, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen, wobei derartige Umstände insbesondere dann gegeben sein können, wenn der Schutzsuchende in Afghanistan ein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk hat, er hinreichende finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfährt oder über ausreichendes Vermögen verfügt.

    Hinsichtlich der Chancen, als Tagelöhner Arbeit zu finden, spielen persönliche Kontakte eine essentielle Rolle (vgl. ausführlich zum Ganzen bereits VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 52 und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 243 ff.; Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 6 ff., 9 f., 16).

    Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Afghanistan, Version 8, 10.08.2022, S. 179; Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 6).

    Zudem gewährleistet das System der Empfehlungen, dass der Arbeitgeber sich in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit eines Arbeitsuchenden sicher sein kann, dessen örtliche und ethnische Herkunft sowie familiären Hintergrund er auf Grund der Empfehlung kennt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 52 und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 -, juris Rn. 243; vgl. auch EASO, Afghanistan Country of Origin Information Report - Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020, S. 31).

    Ein fehlendes Netzwerk kann ein Rückkehrer regelmäßig auch nicht durch eine besondere Durchsetzungskraft oder spezielle Fähigkeiten ausgleichen, die er sich etwa im Ausland angeeignet hat, da er sich hiermit kaum von der Masse der Tagelöhner abzuheben vermag (vgl. Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 6 f., 10, 16; differenzierend Finnish Immigration Service, Afghanistan: Fact-Finding Mission to Kabul in April 2019, S. 16 f.).

    Die Erzielung eines regelmäßigen Einkommens hieraus hängt aber ebenfalls vom Vorhandensein eines Netzwerks ab, über das die entsprechenden Aufträge vergeben werden (vgl. Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 7 f., 16).

    Der Aufbau eines Netzwerks "aus eigener Kraft" erscheint zwar nicht völlig ausgeschlossen, ist aber äußerst schwer zu bewerkstelligen (vgl. Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 6 f., 10, 16).

    Nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats lässt sich aber - auch gemessen an der Einwohnerzahl der Provinz, die auf etwa 5, 6 bis 6, 9 Millionen geschätzt wird (EUAA, Afghanistan Security Situation, August 2022, S.128) - keine generell hohe Gefährdung gleichsam jeder Zivilperson durch Anschläge oder Kampfhandlungen feststellen (vgl. zur Beurteilung der Sicherheitslage in Kabul vor dem Machtwechsel VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 89, vom 16.03.2020 - A 11 S 2516/18 und A 11 S 2977/18 -, beide n.v., vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 - juris Rn. 80 ff. und vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 - juris Rn. 49 ff.).

    Nach Angaben von Schwörer musste ein alleinstehender Mann Ende des Jahres 2020 für eine einfache Wohnung ohne Heizung und Komfort, aber mit Zugang zu fließendem Wasser, sporadisch verfügbarer Elektrizität, einer einfachen Toilette und Möglichkeit zum Kochen monatlich ungefähr 130 bis 150 USD an Miete zahlen (vgl. Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 2 f.).

    Es handelt sich um einfache Lehmhäuser oder auch Zelte oder Hütten (Schwörer, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 2).

    Die hygienischen Bedingungen sind oftmals prekär, der Zugang zu Wasser nicht jeden Tag gewährleistet (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 73, vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 74, vom 29.10.2019 - A 11 S 1203/19 -, juris Rn. 43, und vom 12.10.2018 - A 11 S 316/16 -, juris Rn. 279; Schwörer, Gutachten Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan, 30.11.2020, S. 12; Finnish Immigration Service, Afghanistan: Fact-Finding Mission to Kabul in April 2019, S. 13 ff.).

    Nach Angaben von Schwörer bezahlen auch in den informellen Siedlungen die Bewohner einen kleinen Betrag Miete für ihre Unterkunft (Schwörer, Gutachten Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan, 30.11.2020, S. 12; Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15.12.2020 - A 11 S 2042/20, A 11 S 2091/20 - S. 25).

    Bei der Ermittlung der in Rede stehenden, regelmäßig nur dem Kläger bekannten Umstände bleibt es bei dem allgemein im Asylverfahren geltenden Grundsatz, dass es zunächst Sache des Schutzsuchenden ist, die Gründe für seine Furcht vor Verelendung schlüssig darzulegen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 114 und vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 - juris Rn. 58; vgl. ferner - zum Vorliegen der (positiven) Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 - 1 C 33.18 - juris Rn. 26).

    Für die richterliche Überzeugungsbildung ist eine bewertende Gesamtschau des gesamten Vorbringens des Schutzsuchenden unter Berücksichtigung seiner individuellen Aussagekompetenz und seiner Glaubwürdigkeit erforderlich, die die Stimmigkeit des Vorbringens an sich, dessen Detailtiefe und Individualität, sowie dessen Übereinstimmung mit den relevanten und verfügbaren Erkenntnismitteln ebenso berücksichtigt wie die Plausibilität des Vorbringens, an der es etwa fehlen kann, wenn nachvollziehbare Erklärungen fehlen oder unterbleiben, falsche oder missverständliche Urkunden nicht erklärt werden können bzw. wenn Beweise oder Vorbringen ohne nachvollziehbaren Grund verspätet vorgebracht werden (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 114, vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 - juris Rn. 59 und vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 - juris Rn. 38; dem folgend OVG Hamburg, Urteil vom 23.02.2022 - 1 Bf 282/20.A - juris Rn. 74).

    Ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Schutzsuchende - wie von ihm behauptet - keinen Zugang zu einem tragfähigen und erreichbaren familiären oder sozialen Netzwerk hat, keine hinreichende Unterstützung durch Dritte erwarten kann und auch nicht über ausreichendes Vermögen verfügt, kann es gleichzeitig aber auch nicht die (positive) Überzeugung gewinnen, dass solche besonderen begünstigenden Umstände vorliegen, und sieht es keinen Ansatzpunkt für eine weitere Aufklärung, hat es die Nichterweislichkeit der behaupteten (negativen) Tatsachen ("non liquet") festzustellen und eine Beweislastentscheidung zu treffen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 115).

    Die in Ziffer 5 verfügte Abschiebungsandrohung nebst Ausreiseaufforderung und -frist ist mit Blick darauf, dass die Voraussetzung des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG nicht erfüllt ist, zumindest gegenstandslos (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.1998 - 9 C 1.97 -, juris Rn. 17), wenn nicht gar rechtswidrig und jedenfalls aus Klarstellungsgesichtspunkten aufzuheben (vgl. SächsOVG, Urteil vom 10.11.2022 - 1 A 1081/17.A - juris Rn. 163; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 123 und vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris Rn. 498; Pietzsch, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand: 01.01.2022, § 34 AsylG Rn. 47 f.; Bergmann, in: ders./Dienelt, AuslR, 14. Aufl. 2022, § 34 AsylG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand: März 2018, § 34 Rn. 141).

  • VG Freiburg, 05.03.2021 - A 8 K 3716/17

    Klage auf internationalen Schutz, auf die Feststellung eines nationalen

    Auch angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie sind im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Rückkehrhilfen die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG selbst dann nicht regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen (a. A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -).

    Bei ihr steht das Element der Demütigung oder Entwürdigung im Vordergrund (Urteil der Kammer vom 08.09.2020 - A 8 K 10988/17 - juris, Rn. 19 unter Hinweis auf Grabenwarter/Pabel, a.a.O., Rn. 49; vgl. nun auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 22).

    Stellen die dortigen Verhältnisse einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar, ist zu prüfen, ob auch in anderen Landesteilen derartige Umstände vorliegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 28; OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 - juris, Rn. 27; Urteil vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 - juris, Rn. 27).

    Es ist nicht festzustellen, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan (noch) aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger nichtstaatlicher Akteur die maßgebliche Verantwortung hierfür trügen, insbesondere, dass etwa die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (zutr. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 25 m.w.N. zur insoweit einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung).

    Mit Urteil vom 17.12.2020 (- A 11 S 2042/20 - juris) hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seine frühere Rechtsprechung geändert und nimmt nunmehr - als bislang einziges Oberverwaltungsgericht - an, angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie seien auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorlägen.

    Ohne finanzielle Mittel oder Unterstützung aus einem tragfähigen Netzwerk sei die Deckung der einfachsten Grundbedürfnisse auf niedrigem Niveau ("Bett, Brot, Seife") nicht gewährleistet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020, a.a.O., juris, Rn. 106 ff.).

    Die finanziellen Hilfen, die ein freiwilliger Rückkehrer erhalten könne, würden seine Existenz im Falle eines fehlenden Netzwerks nicht nachhaltig sichern, sondern bestenfalls eine anfängliche Unterstützung bzw. eine nur vorübergehende Bedarfsdeckung schaffen können (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020, a.a.O., juris, Rn. 110 ff.).

    Die erkennende Kammer kann sich dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17.12.2020 (- A 11 S 2042/20 - juris) nicht anschließen und weicht hiervon insoweit ab, als darin der Rechtssatz aufgestellt wird, angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie seien auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK derzeit regelmäßig erfüllt, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorlägen.

    Wegen der Einzelheiten der Rückkehrprogramme und der Auszahlungsmodalitäten kann auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2020 (a.a.O., juris, Rn. 91 ff.) Bezug genommen werden.

    Denn grundsätzlich bedarf derjenige keines Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland, der eine geltend gemachte Gefährdung in seinem Heimatland durch zumutbares eigenes Verhalten abwenden kann, wozu insbesondere die freiwillige Ausreise und Rückkehr in den Heimatstaat gehört (BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 - juris, Rn. 27; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 110).

    Obgleich die Gewährung der Rückkehrhilfen nicht als formeller Rechtsanspruch ausgestaltet ist, können sie einer lebensnahen Rückkehrprognose zugrunde gelegt werden (allg. Auffassung, vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 26, 111; Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris, Rn. 349 ff.; Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 - juris, Rn. 282 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 - juris, Rn. 138).

    Denn die Verwaltungspraxis weist darauf hin, dass die Rückkehrhilfen - mit Ausnahme von Missbrauchsfällen und für aus dem Bundesgebiet ausgewiesene Ausländer (vgl. IOM, REAG/GARP-Programm 2017, S. 6; BAMF/IOM, StarthilfePlus-Programm 2017, S. 3; vgl. auch BT-Drs. 18/9648) - für afghanische Rückkehrer bewilligt worden sind und es deutet nichts darauf hin, dass dies künftig nicht mehr der Fall sein wird (vgl. näher auch Vernehmungsprotokoll der Sachverständigen Schwörer im Verfahren A 11 S 2042/20 vor dem VGH Baden-Württemberg, dort S. 22; ferner BT-Drs. 19/10559 S. 2 - Rückkehrhilfe für 1.390 afghanische Asylbewerber seit 2014; BT-Drs. 19/18201 S. 39: Rückkehrhilfe nach REAG/GARP 2018: 403 afghanische Staatsangehörige; Rückkehrhilfe nach REAG/GARP 2019: 325 afghanische Staatsangehörige).

    Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte überträgt diesen Maßstab auf die Fälle, in denen die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit nicht auf einer Vorerkrankung, sondern einer fehlenden Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse, insbesondere Nahrung und Unterkunft, beruht (OVG Bremen, Urteil vom 12.02.2020 - 1 LB 276/19 - juris, Rn. 48; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2019 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 25; Urteil vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 - juris, Rn. 30; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.06.2019 - 13 A 3930/18.A - juris, Rn. 106).

    Soweit in der Rechtsprechung teilweise anklingt, die Existenzsicherung müsse "nachhaltig sein" (so etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 110; ähnlich auch OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 - juris, Rn. 46: Versorgung mit Lebensmitteln und Unterkunft durch Rückkehrhilfen "nicht nachhaltig gesichert"; Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.12.2020 - 13a B 19.34211 - juris, Rn. 28: nicht dazu geeignet sind, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten) oder - noch weitergehend - bemängelt wird, das Verwaltungsgericht setze sich "jedoch nicht damit auseinander, ob es dem Antragsteller unter den aktuellen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedingungen in Afghanistan (...) überhaupt möglich sein wird, sich dauerhaft durch eigene Arbeit ein Existenzminimum zu erwirtschaften" (so BVerfG [Kammer], Beschluss vom 09.02.2021 - 2 BvQ 8/21 - juris, Rn. 8), wird der Maßstab des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 60 AufenthG zur Überzeugung der Kammer jedenfalls dann verfehlt, wenn damit eine mehrjährige Gewährleistungspflicht der Vertragsstaaten für die Existenzsicherung in Nicht-Vertragsstaaten statuiert und aus Art. 3 EMRK hergeleitet werden sollte.

    3.5 Unter Berücksichtigung der verfügbaren Rückkehrhilfen droht leistungsfähigen, gesunden und erwachsenen Männern ohne Unterhaltsverpflichtungen alsbald nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan auch dann kein § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK widersprechender Zustand der Verelendung, wenn sie in Afghanistan kein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk haben, keine nachhaltige finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfahren und über kein ausreichendes Vermögen verfügen (a. A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 104 ff.).

    Deren Einwohnerzahl hat sich binnen der letzten zwanzig Jahre verzehnfacht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 35).

    Zudem leben in Kabul seit jeher Menschen aus einer Vielzahl von Ethnien sowie mit unterschiedlichen Volks- und Religionszugehörigkeiten (vgl. wiederum VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020, a.a.O., juris, Rn. 35) und es bieten sich gerade deshalb wiederum vielfältige Anknüpfungspunkte für Kontakte.

    Nach der mündlichen Verhandlung ist die erkennende Kammer ferner davon überzeugt, dass der Kläger in Afghanistan derzeit über kein tragfähiges soziales oder familiäres Netzwerk verfügt (vgl. zur Überzeugungsbildung und Beweislastverteilung VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris, Rn. 114 ff.).

    Die Zulassung der Berufung ist dem erkennenden Gericht verwehrt, obwohl es mit seiner Entscheidung von dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2020 - A 11 S 2042/20 - abweicht und das Urteil auf dieser Abweichung beruht.

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