Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat die Pläne der Ampelkoalition, Seenotretter im Mittelmeer genauso zu bestrafen wie Schleuser, deutlich kritisiert. "Lebensrettung ist kein Verbrechen und keine Straftat", sagte Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Diese Verschärfung muss gestoppt werden. Sie steht nicht im Einklang mit dem Völkerrecht", sagte er.

Die Süddeutsche Zeitung hatte zuvor aus einem entsprechenden Entwurf des Bundesinnenministeriums für Änderungen im Aufenthaltsgesetz berichtet. Demnach soll es für eine Strafbarkeit schon genügen, wenn jemand Menschen dabei hilft, ohne Visum in die EU einzureisen, und zwar "wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern" – auch ohne Bezahlung. Demnach könnten auch uneigennützige, selbstlose Helfer wie etwa die Seenotretter belangt werden, die mit ihren privat finanzierten Schiffen auf dem Mittelmeer kreuzen.

Kopp vermutet, dass eine entsprechende Passage "von Hardlinern im Bundesinnenministerium" in den Gesetzentwurf der Ampelkoalition eingefügt worden sei. Offenbar scheine es "im aktuellen Überbietungswettbewerb" auf dem Gebiet der Flüchtlingspolitik "keinen Anstand mehr zu geben". Das Bundesinnenministerium wurde sehr lange von Unionspolitikern geführt, der Beamtenapparat gilt als entsprechend konservativ.

Zuvor hatte sich bereits der Vorsitzende der Hilfsorganisation Sea-Eye, Gorden Isler, gegen die geplante Änderung gewandt. "Wir fordern, dass dieser Vorschlag verworfen wird und dass sich die demokratischen Abgeordneten des Bundestags jetzt eindeutig zur Seenotrettung positionieren", sagte er.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte auf Nachfrage mit, es sei nicht zutreffend, dass die zur Rettung von Menschenleben erfolgende Tätigkeit von privaten Seenotrettern künftig durch eine etwaige Strafbarkeit erschwert werden solle. "Derartige Handlungen sind als gerechtfertigt anzusehen, um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden", sagte der Sprecher.

Auswärtiges Amt fördert Seenotretter

"Die Bundesregierung setzt hier Seenotrettungsorganisationen der Gefahr aus, nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland kriminalisiert zu werden", zitierte die Süddeutsche Zeitung den Berliner Rechtsanwalt David Werdermann, der für die Organisation Gesellschaft für Freiheitsrechte arbeitet. Das könne die Arbeit der Seenotretter-Vereine, die zu einem großen Teil in Deutschland sitzen, stark behindern, sagte der Jurist. Die Leipziger Strafrechtsprofessorin Katrin Höffler erläuterte, da Seenotretter nicht gegen Entgelt oder zum eigenen Vorteil handelten, aber durchaus wiederholt und zugunsten mehrerer Ausländer, könne man sie künftig unter den neuen Straftatbestand subsumieren.

Letztlich geriete die Bundesregierung mit der Kriminalisierung von Seenotrettern zu sich selbst in Widerspruch: Denn das Auswärtige Amt fördert Seenotrettungsorganisationen mit bis zu zwei Millionen Euro im Jahr, wie eine Sprecherin kürzlich bestätigte. Grundlage ist ein Bundestagsbeschluss. Die Förderung hat international Erstaunen ausgelöst und die italienische Regierung verärgert.