18.10.2021

Bun­des- und Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me sind nötig! Bei Rot-Grün-Gelb ist Luft nach oben. PRO ASYL for­dert anläss­lich des vir­tu­el­len Son­der­gip­fels der G20 Staa­ten, end­lich nen­nens­wer­te und der Bedro­hung ange­mes­se­ne Auf­nah­me­ak­tio­nen durchzuführen.

„Das Abschot­ten der EU-Gren­zen, die Wei­ge­rung vie­ler EU-Staa­ten, über­haupt Schutz­be­dürf­ti­ge auf­zu­neh­men, und die unzu­rei­chen­den Hand­lun­gen auch der bis­he­ri­gen deut­schen Regie­rung sind uner­träg­lich. Wir for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, end­lich ein Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm zu star­ten, den Weg für ergän­zen­de Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me frei zu geben und beim G‑20-Gip­fel eine Vor­rei­ter­rol­le ein­zu­neh­men“, sagt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

„Es gilt jetzt, Men­schen­le­ben zu ret­ten! Hier ist die jet­zi­ge Bun­des­re­gie­rung noch gefor­dert – aber auch die Par­tei­en der künf­ti­gen, die sich jetzt bereits öffent­lich auf die Rea­li­sie­rung von Bun­des- und Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­men ver­stän­di­gen soll­ten. Im Son­die­rungs­pa­pier von Rot-Grün-Gelb ist noch viel Luft nach oben,“ mahnt Burkhardt.

Bedrü­cken­de Situation

Die Situa­ti­on ist bedrü­ckend: Die Euro­päi­sche Uni­on, die Tür­kei und die Nach­bar­staa­ten Afgha­ni­stans schlie­ßen ihre Gren­zen. Die Zahl der neu in Euro­pa ankom­men­den Schutz­su­chen­den aus Afgha­ni­stan ist extrem gering. Ange­sichts des jah­re­lan­gen NATO-Ein­sat­zes und des  poli­ti­schen sowie büro­kra­ti­schen Ver­sa­gens in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ste­hen die west­li­chen Staa­ten  in der Ver­ant­wor­tung, Bedroh­te aufzunehmen.

Hin­zu kommt, dass Tau­sen­de Gefähr­de­te Ange­hö­ri­ge haben, die bereits in Deutsch­land leben. Es gibt eine star­ke afgha­ni­sche Gemein­schaft und eine akti­ve Zivil­ge­sell­schaft in Deutsch­land, die den neu Ankom­men­den bei Ankunft und gesell­schaft­li­cher Teil­ha­be unter­stüt­zend zur Sei­te ste­hen wird. „Genau des­halb darf sich die jet­zi­ge Bun­des­re­gie­rung nicht län­ger weg­du­cken oder hin­ter hand­lungs­un­wil­li­gen EU-Staa­ten ver­ste­cken. Vie­le gefähr­de­te Men­schen sit­zen aber mit ihren Fami­li­en immer noch in Afgha­ni­stan fest: Zudem sind Ange­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Afghan*innen und Deut­schen in Gefahr, sie wer­den zum Teil bereits von den Tali­ban gesucht. Für sie sieht die Bun­des­re­gie­rung aktu­ell kei­ne beschleu­nig­te Auf­nah­me vor. Hier sind die Par­tei­en der jet­zi­gen und der künf­ti­gen Bun­des­re­gie­rung gefor­dert“, so Burk­hardt weiter.

PRO ASYL for­dert als Ad hoc-Maß­nah­me: siche­re Aus­rei­se und wei­te­re Auf­nah­me­zu­sa­gen für beson­ders gefähr­de­te Afghan*innen

Kein Stich­tag bei Auf­nah­me­zu­sa­gen für beson­ders gefähr­de­te Per­so­nen: Die Lis­ten des Aus­wär­ti­gen Amtes mit beson­ders gefähr­de­ten Per­so­nen müs­sen wei­ter­ge­führt wer­den. Es ist inak­zep­ta­bel, dass mit dem 26. August eine will­kür­li­che Frist gesetzt und die Lis­te der Auf­zu­neh­men­den geschlos­sen wur­de –die Gefähr­dung muss zäh­len, ein Aus­schluss­da­tum ver­hin­dert dies. Im Wei­te­ren muss es Auf­nah­me­zu­sa­gen als Orts­kräf­te auch für gefähr­de­te Per­so­nen geben, die über Sub­un­ter­neh­mer für deut­sche Ein­rich­tun­gen und Orga­ni­sa­tio­nen tätig waren. Und alle gefähr­de­ten Fami­li­en­mit­glie­der – nicht nur Ehepartner*innen und min­der­jäh­ri­ge Kin­der– müs­sen umfasst sein.

Ange­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Men­schen schützen 

Die Macht­über­nah­me der Tali­ban gefähr­det die Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen von im Aus­land leben­den Schutz­be­rech­tig­ten. Es wird zum Teil schon gezielt nach ent­spre­chen­den Fami­li­en­mit­glie­dern gesucht. Ent­spre­chend sind vie­le Men­schen in Deutsch­land in gro­ßer Angst um ihre Ange­hö­ri­gen. „Es ist uner­träg­lich, dass das Aus­wär­ti­ge Amt und das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um sich beim Fami­li­en­nach­zug aus Afgha­ni­stan nicht end­lich schnell ver­stän­di­gen, schnell und unbü­ro­kra­tisch zu han­deln. Allein die Sicher­heits­über­prü­fung dau­ert nicht Stun­den, wie von Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer im August ver­spro­chen, son­dern zieht sich über Tage und Wochen hin“, sagt Burk­hardt. Auch Ange­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den sub­si­di­är Geschüt­zen brau­chen Schutz. Die star­re gesetz­lich ver­ein­bar­te Ober­gren­ze von 1000 nach­zugs­be­rech­tig­ten Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen pro Monat bei allen Her­kunfts­staa­ten ver­hin­dert dies.

End­lich den schnel­len Fami­li­en­nach­zug realisieren

Visa­ver­fah­ren zur Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung müs­sen nun prio­ri­siert, zügig in Deutsch­land bear­bei­tet und unter Aus­schöp­fung aller Ermes­senspiel­räu­me umge­hend ent­schie­den wer­den. Zusätz­lich müs­sen die Kapa­zi­tä­ten der Aus­lands­ver­tre­tun­gen in der Regi­on mas­siv aus­ge­baut wer­den. Büro­kra­tie muss abge­baut und die Anfor­de­run­gen an Doku­men­te müs­sen her­un­ter­ge­fah­ren werden.

Von Ertei­lungs­vor­aus­set­zun­gen wie Sprach­nach­wei­sen ist ange­sichts der aktu­el­len Situa­ti­on abzu­se­hen. Ange­sichts der dra­ma­ti­schen Lage in Afgha­ni­stan muss der Begriff der außer­ge­wöhn­li­chen Här­te groß­zü­gig aus­ge­legt wer­den, um den Fami­li­en­nach­zug ande­rer Ange­hö­ri­ger, wie etwa erwach­se­ner ledi­ger Kin­der, zu ermöglichen.

Siche­re Aus­rei­se organisieren

Außen­mi­nis­ter Hei­ko Maas hat die Auf­nah­me von rund 40.000 Orts­kräf­ten sowie von bis zu 10.000 beson­ders schutz­be­dürf­ti­gen Men­schen zuge­sagt. Nun muss die Bun­des­re­gie­rung bei Ver­hand­lun­gen und in Zusam­men­ar­beit mit der Inter­na­tio­na­len Gemein­schaft alles dafür tun, damit gefähr­de­te Men­schen auch nach dem  voll­stän­di­gen Abzug der inter­na­tio­na­len Trup­pen aus Afgha­ni­stan in Sicher­heit gelan­gen kön­nen, zum Bei­spiel durch zivi­le Flü­ge aus Afgha­ni­stan oder in einen Nachbarstaat.

Es müs­sen Ver­ein­ba­run­gen mit den Nach­bar­län­dern Afgha­ni­stans getrof­fen wer­den, die gefähr­de­ten Per­so­nen eine Ein­rei­se in die­se Län­der und die Wei­ter­rei­se nach Deutsch­land ermög­li­chen. Die Bun­des­re­gie­rung muss sich dafür ein­set­zen, dass die gefähr­de­ten Men­schen die Nach­bar­staa­ten sicher errei­chen kön­nen. Dazu gehört auch eine digi­ta­le Bestä­ti­gung der Bun­des­re­gie­rung über die Auf­nah­me­zu­sa­ge, die die Betrof­fe­nen bei Bedarf vor­zei­gen können.

Um die Auf­nah­me nach Deutsch­land schnell zu ermög­li­chen, soll­ten Char­ter­flü­ge orga­ni­siert sowie Visa-on-Arri­val erteilt wer­den. Mit Blick auf das schlech­te Kri­sen­ma­nage­ment der ver­gan­ge­nen Wochen müs­sen fes­te Ansprechpartner*innen in den Behör­den instal­liert wer­den, die Infor­ma­tio­nen zu Auf­nah­me­zu­sa­gen und Aus­rei­sen gegen­über betrof­fe­nen Ein­zel­per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen trans­pa­rent machen und für zivil­ge­sell­schaft­li­che Akteur*innen ansprech­bar sind.

 

 

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