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Auch deutsche Politiker, wie Innenminister de Maizière (hier mit dem hessischen Ministerpräsidenten Bouffier) drängen massiv auf vermehrte Abschiebungen nach Afghanistan. Die EU hat dazu nun einen geheimen Plan formuliert. Foto: picture alliance / dpa

Ein vertrauliches EU-Diskussionspapier schlägt vor, die Entwicklungshilfe für Afghanistan als Druckmittel zu benutzen, um das Land dazu zu bringen, Flüchtlinge zurückzunehmen.

Mehr als 80.000 Afgha­nen sol­len nach einem gehei­men EU-Plan »in naher Zukunft« aus Euro­pa abge­scho­ben wer­den. Das Papier warnt auf­grund der kata­stro­pha­len wirt­schaft­li­chen Lage sowie der zuneh­men­den Gewalt in Afgha­ni­stan, durch die allein letz­tes Jahr 11.000 Zivi­lis­ten ums Leben kamen, vor zusätz­li­chen Flucht­be­we­gun­gen nach Europa.

Obwohl man sich der immer ange­spann­te­ren Sicher­heits­la­ge also bewusst ist, will man afgha­ni­schen Flücht­lin­gen kei­nen Schutz bie­ten – im Gegen­teil: Die Abschie­bun­gen von Afghan*innen sol­len mas­siv ver­stärkt wer­den. Auf­grund der schwie­ri­gen Lage in Afgha­ni­stan selbst, wird dabei Zufluchts­mög­lich­kei­ten in der Regi­on eine grö­ße­re Bedeu­tung bei­gemes­sen: »Auf­grund der sich ver­schlech­tern­den Situa­ti­on in Afgha­ni­stan sowie dem Druck auf Afgha­nen in Paki­stan und dem Iran, besteht ein hohes Risi­ko zusätz­li­cher Migra­ti­ons­strö­me nach Euro­pa. Das erfor­dert eine Ver­stär­kung der Inter­ven­tio­nen, Zufluchts­mög­lich­kei­ten in der Regi­on zu erhal­ten«, so das Papier.

»Auf­grund der sich ver­schlech­tern­den Situa­ti­on in Afgha­ni­stan […] besteht ein hohes Risi­ko zusätz­li­cher Migra­ti­ons­strö­me nach Europa«

aus dem gehei­men EU-Plan
5,4 Mio

Afgha­nen sind in die Nach­bar­län­der Iran und Paki­stan geflohen

Weitere Staaten als Türsteher Europas?

Ange­sichts von über einer Mil­li­on Bin­nen­flücht­lin­gen in Afgha­ni­stan und 5,4 Mil­lio­nen Men­schen, die in Paki­stan und im Iran Zuflucht suchen und deren Situa­ti­on »höchst unsi­cher und ohne ver­läss­li­che lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ven ist«, stellt sich aller­dings die Fra­ge, wie man die Nach­bar­staa­ten dazu brin­gen möch­te, Mil­lio­nen Flücht­lin­gen ech­te Zukunfts­aus­sich­ten zu geben, wenn sie das seit Jahr­zehn­ten nicht getan haben?

Einen Ein­blick gibt der Vor­schlag des nie­der­säch­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Ste­phan Weil, nach dem Deal mit der Tür­kei, jetzt auch mit dem Iran über die Auf­nah­me von noch mehr Flücht­lin­gen, zum Bei­spiel aus Afgha­ni­stan, zu spre­chen. Das Modell, wei­te­re Staa­ten als Tür­ste­her anzu­heu­ern und dabei dar­über hin­weg­zu­se­hen, dass es für die Men­schen dort kaum Zukunfts­per­spek­ti­ven gibt, wird also bereits propagiert.

Erpresser-Strategie aus Brüssel

Um die afgha­ni­sche Regie­rung trotz der immer ange­spann­te­ren Sicher­heits­si­tua­ti­on und den fort­schrei­ten­den Gebiets­ge­win­nen der Tali­ban dazu zu brin­gen, der Rück­füh­rung von zehn­tau­send Afghan*innen zuzu­stim­men, hat sich die EU-Kom­mis­si­on ver­schie­de­ne Druck­mit­tel aus­ge­dacht: Ent­wick­lungs­hil­fe und Han­dels­ver­ein­ba­run­gen sol­len nach der neu­en EU-Stra­te­gie als Anreiz die­nen, um Abschie­be­ab­kom­men abzuschließen.

So will die EU-Kom­mis­si­on Afgha­ni­stan mit der Kür­zung der Ent­wick­lungs­hil­fe dro­hen, die immer­hin 40% des Brut­to­in­lands­pro­duk­tes des Lan­des aus­macht. Bei Koope­ra­ti­on hin­ge­gen soll die afgha­ni­sche Eli­te im Gegen­zug mit Stu­di­en­plät­zen an euro­päi­schen Uni­ver­si­tä­ten belohnt wer­den. Die real exis­tie­ren­de Gefähr­dungs­la­ge für die Men­schen in Afgha­ni­stan wird dabei ein­fach aus­ge­blen­det – obers­tes Ziel scheint zu sein, Flucht­be­we­gun­gen nach Euro­pa um jeden Preis zu stoppen.