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Die Ausländerbehörde in Frankfurt. Foto: PRO ASYL // Max Klöckner

Für Geflüchtete ist die Arbeitsaufnahme essentiell beim Ankommen in Deutschland. Viele Perspektiven eröffnen sich erst mit der eigenen Lebensunterhaltssicherung, wie die auf eine eigene Wohnung (anstatt dem schwierigen Leben in Sammelunterkünften), auf adäquate Unterstützung der Kinder, auf Familiennachzug oder auf ein dauerhaftes Bleiberecht.

Nach wie vor erhal­ten alle Asyl­su­chen­den nach Ankunft zunächst ein Beschäf­ti­gungs­ver­bot. Trotz des star­ken Wun­sches und der Fähig­keit zu arbei­ten, blei­ben die­se Men­schen vom Arbeits­markt aus­ge­schlos­sen und ver­har­ren im per­spek­tiv­lo­sen Nichts­tun. Die Teil­ha­be an der Gesell­schaft bleibt ihnen ver­wehrt, nicht sel­ten führt die­ser Zustand mit­tel­fris­tig zu psy­chi­schen Erkrankungen.

Der aus dem Beschäf­ti­gungs­ver­bot ent­ste­hen­de Zwang, Sozi­al­leis­tun­gen bezie­hen zu müs­sen, ist zudem weder für die Men­schen eine befrie­di­gen­de Situa­ti­on noch för­dert er die Akzep­tanz von geflüch­te­ten Men­schen in der Gesell­schaft. Denn vie­len ist nicht klar, dass Geflüch­te­te, die arbei­ten könn­ten, schlicht nicht arbei­ten dür­fen. Schnell ent­steht so der Vor­wurf, dass die Men­schen ein­fach nicht arbei­ten wol­len und die rech­te Pole­mik über eine angeb­li­che Ein­wan­de­rung ins Sozi­al­sys­tem trifft auf offe­ne Ohren.

Auch die aktu­el­len Vor­schlä­ge von Bund und Län­dern, eine »Arbeits­pflicht« für Asyl­su­chen­de ein­zu­füh­ren, ent­lar­ven sich als rei­ne Stim­mungs­ma­che gegen Geflüch­te­te. Denn es sind die haus­ge­mach­ten gesetz­li­chen Restrik­tio­nen und kom­pli­zier­ten Ver­bo­te, die den Zugang zum Arbeits­markt für Asyl­su­chen­de und Gedul­de­te ver­sper­ren, nicht eine feh­len­de Bereit­schaft bei den Men­schen, die ohne­hin in der über­wie­gen­den Mehr­heit aus eige­ner Moti­va­ti­on arbei­ten wol­len. Mit dem Vor­schlag zur Arbeits­pflicht wird das ras­sis­ti­sche Nar­ra­tiv über Schutz­su­chen­de, die nicht arbei­ten wol­len, reproduziert

»Ich habe schon viel Arbeit gefun­den, aber sie sel­ten bekommen.«

Ahmad F., Flücht­ling aus dem Iran

Dabei wür­den schon eini­ge gesetz­li­che Ände­run­gen und die aus­ge­bau­te För­de­rung von Sprach­kur­sen dazu bei­tra­gen, viel mehr Geflüch­te­te in Arbeit zu brin­gen. Dies zei­gen auch die Ana­ly­sen des Insti­tuts für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung, die dar­le­gen, dass mit der Strei­chung des Beschäf­ti­gungs­ver­bots nach den Fris­ten sowie nach dem Erler­nen der deut­schen Spra­che die Zahl der erwerbs­tä­ti­gen Geflüch­te­ten signi­fi­kant steigt. Ukrai­ni­sche Flücht­lin­ge kom­men dem­nach sogar noch schnel­ler in Arbeit, da sie den Restrik­tio­nen des Beschäf­ti­gungs­ver­bots nicht unter­lie­gen, kei­ne lan­gen Asyl­ver­fah­ren durch­füh­ren müs­sen, son­dern direkt einen Auf­ent­halts­ti­tel erhal­ten, in der Regel einen Platz in einem Sprach­kurs bekom­men und ihre ukrai­ni­schen Bil­dungs- und Berufs­ab­schlüs­se zum gro­ßen Teil in Deutsch­land aner­kannt werden.

Ahmad F. (Name geän­dert) floh 2018 aus dem Iran nach Deutsch­land. Sein Asyl­an­trag wur­de abge­lehnt, die Kla­ge gegen die­se Ableh­nung blieb erfolg­los. Herr F. hat­te bereits zwei Jah­re gear­bei­tet, doch die Aus­län­der­be­hör­de warf ihm vor, bei der Pass­be­schaf­fung nicht mit­zu­wir­ken und ver­wei­ger­te ihm die Arbeitserlaubnis.

Zu Unrecht, denn Herr F. hat­te sich sehr wohl um die Pass­be­schaf­fung bemüht, die sich jedoch kom­pli­ziert gestal­te­te. Als männ­li­cher Antrag­stel­ler benö­tigt er für die Pass­aus­stel­lung bei der ira­ni­schen Bot­schaft eine Wehr­dienst­kar­te als Nach­weis eines abge­leis­te­ten Mili­tär­diens­tes. Ahmad hat die­se Kar­te nach eige­nen Anga­ben beim BAMF ein­ge­reicht – sie ging aber ver­mut­lich bei den Behör­den ver­lo­ren. Also muss­te er sei­nen Vater im Iran beauf­tra­gen, die­se Kar­te zu besor­gen und ihn beim ira­ni­schen Kon­su­lat dazu bevollmächtigen.

Bei der Vor­spra­che in der ira­ni­schen Aus­lands­ver­tre­tung durch­leb­te er auf­grund sei­ner Teil­nah­me an Pro­tes­ten gegen das ira­ni­sche Regime gro­ße Angst. Gemein­sam mit PRO ASYL und einer Anwäl­tin gelang es ihm schließ­lich, eine Arbeits­er­laub­nis zu bekom­men – andert­halb Jah­re nach­dem sie ihm ent­zo­gen wur­de. In die­ser Zeit konn­te er sich und sei­ne inzwi­schen schwan­ge­re Frau nicht selbst ver­sor­gen, obwohl er meh­re­re Job- und Aus­bil­dungs­an­ge­bo­te hat­te. Ahmad F. for­dert von der Poli­tik Maß­nah­men, die der tat­säch­li­chen Lebens­si­tua­ti­on von Men­schen wie ihm gerecht wer­den und weni­ger büro­kra­tisch sind.

Nicht eingehaltene Versprechen

Im Koali­ti­ons­ver­trag heißt es unmiss­ver­ständlich: »Arbeits­ver­bo­te für bereits in Deutsch­land Leben­de schaf­fen wir ab.« Die­se kla­re Ankün­di­gung kann nur dahin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass sämt­li­che Arbeits­ver­bo­te für alle im Bun­des­ge­biet leben­den Per­so­nen auf­ge­ho­ben und kei­ne wei­te­ren aus­ge­spro­chen wer­den. Kon­se­quent umge­setzt bedeu­tet dies, dass Asyl­su­chen­de vom Tag ihrer Antrag­stel­lung an wie auch Gedul­de­te unein­ge­schränkt arbei­ten dür­fen. Die Rea­li­tät sieht jedoch ganz anders aus.

Situation für Asylbewerber*innen

Men­schen im Asyl­ver­fah­ren erhal­ten in den ers­ten drei Mona­ten ein kom­plet­tes Arbeits­ver­bot. Das Arbeits­ver­bot ver­län­gert sich auf sechs Mona­te (für Asylbewerber*innen mit min­der­jäh­ri­gen Kin­dern) bezie­hungs­wei­se auf neun Mona­te (für Asylbewerber*innen ohne min­der­jäh­ri­ge Kin­der), solan­ge die Men­schen in einer Auf­nah­me­ein­rich­tung woh­nen. Gleich­zei­tig sind Asyl­su­chen­de dazu ver­pflich­tet, in einer Auf­nah­me­ein­rich­tung zu woh­nen (sie­he §§ 47 und 61 des Asyl­ge­set­zes), kön­nen also dem Arbeits­ver­bot in die­ser Zeit nicht entgehen.

Zwi­schen Arbeits­an­ge­bot, Ter­min bei der Aus­län­der­be­hör­de und Zustim­mung durch die Aus­län­der­be­hör­de ver­ge­hen meh­re­re Wochen.

Nach der Zeit des Arbeits­ver­bots folgt für Asylbewerber*innen in der Regel eine Arbeits­er­laub­nis zur Beschäf­ti­gung nur nach Zustim­mung durch die Aus­län­der­be­hör­de. Es muss also erst ein kon­kre­tes Arbeits­an­ge­bot der Aus­län­der­be­hör­de vor­ge­legt wer­den, um die Zustim­mung zur Arbeits­auf­nah­me zu erhal­ten. Das führt zu zahl­rei­chen prak­ti­schen Pro­ble­men. Zunächst ist es bei vie­len Aus­län­der­be­hör­den, vor allem in Bal­lungs­räu­men, nahe­zu unmög­lich, zeit­nah einen Ter­min zu erhal­ten, um ein Arbeits­an­ge­bot vor­zu­le­gen. Wenn dies gelingt, muss zunächst die Arbeits­agen­tur mit ein­be­zo­gen wer­den, um die arbeits­recht­li­chen Bedin­gun­gen zu prüfen.

Erst dann kann die Aus­län­der­be­hör­de dem Ange­bot zustim­men. Zwi­schen Arbeits­an­ge­bot, Ter­min bei der Aus­län­der­be­hör­de und Zustim­mung durch die Aus­län­der­be­hör­de ver­ge­hen jedoch meh­re­re Wochen. Je nach Dring­lich­keit und Arbeitgeber*in, ist die Wahr­schein­lich­keit hoch, dass bis dahin das Ange­bot nicht mehr steht, da bereits eine ande­re Per­son gefun­den wurde.

Situation für Geduldete

Gedul­de­te, die in einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung leben, haben in den ers­ten sechs Mona­ten ein Arbeits­ver­bot (§ 61 Abs. 1 AsylG). Gedul­de­te, die nicht mehr in solch einer Ein­rich­tung leben, kön­nen direkt eine Arbeits­er­laub­nis bean­tra­gen, wenn sie sich bereits seit mehr als drei Mona­ten in Deutsch­land auf­hal­ten (§ 32 BeschVO).

Jedoch unter­lie­gen sie wei­te­ren Beschrän­kun­gen. Wirft ihnen die Aus­län­der­be­hör­de vor, nicht aus­rei­chend bei der Pass­be­schaf­fung und/oder der Iden­ti­täts­klä­rung mit­zu­wir­ken, besteht auch über die drei bezie­hungs­wei­se sechs Mona­te hin­aus ein Beschäf­ti­gungs­ver­bot (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Auf­enthG). Ob eine feh­len­de Mit­wir­kung vor­liegt, defi­niert die oder der zustän­di­ge Sachbearbeiter*in der jewei­li­gen Aus­län­der­be­hör­de. Wie falsch und fol­gen­reich die­se Ein­schät­zung sein kann, zeigt der Fall von Ahmed F.

Aber auch bei Gedul­de­ten, die nach einer gewis­sen Zeit kei­nem Beschäf­ti­gungs­ver­bot mehr unter­lie­gen, ist die Auf­nah­me einer Arbeit nur nach Erlaub­nis der Aus­län­der­be­hör­de gestat­tet, mit den glei­chen Hür­den und Pro­ble­men wie bei Asylbewerber*innen (sie­he oben). Kei­ne zeit­na­hen Ter­mi­ne und zu lan­ge Bear­bei­tungs­zei­ten in den Aus­län­der­be­hör­den füh­ren auch bei ihnen häu­fig zum Ver­lust des Arbeits­platz­an­ge­bo­tes. Zudem wirkt die Dul­dungs­be­schei­ni­gung auf poten­ti­el­le Arbeitgeber*innen abschre­ckend: Wer sich nur mit einem grü­nen Falt­pa­pier mit einem roten Strich quer über das Blatt aus­wei­sen kann, hat es bei der Arbeits­su­che schwer. Die Pra­xis zeigt, dass vie­le Arbeitgeber*innen auch auf­grund der kom­ple­xen gesetz­li­chen Lage davor zurück­schre­cken, Gedul­de­te zu beschäftigen.

Für Asylbewerber*innen, deren Asyl­ver­fah­ren als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« oder unzu­läs­sig abge­lehnt wur­de, und für deren Kla­ge dage­gen kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung ange­ord­net wur­de, besteht auch nach Ablauf der Fris­ten ein abso­lu­tes Beschäf­ti­gungs­ver­bot (§ 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AsylG). Eine selb­stän­di­ge Tätig­keit bleibt allen Men­schen mit Dul­dungs­pa­pie­ren untersagt.

Situation für Geflüchtete aus »sicheren Herkunftsländern« 

Für geflüch­te­te Men­schen aus einem soge­nann­ten siche­ren Her­kunfts­staat (Alba­ni­en, Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na, Gha­na, Koso­vo, Nord­ma­ze­do­ni­en, Mon­te­ne­gro, Sene­gal und Ser­bi­en), die nach dem 31. August 2015 einen Asyl­an­trag gestellt haben, besteht wäh­rend des Asyl­ver­fah­rens und nach nega­ti­vem Aus­gang ein abso­lu­tes Beschäf­ti­gungs­ver­bot. Nur ein Auf­ent­halts­ti­tel ermög­licht ihnen die Auf­nah­me einer Beschäftigung.

Die Lis­te der soge­nann­ten siche­ren Her­kunfts­län­der wird dem­nächst um Geor­gi­en und die Repu­blik Mol­dau erwei­tert. Das Beschäf­ti­gungs­ver­bot ohne Per­spek­ti­ve auf eine Arbeits­er­laub­nis bringt die betrof­fe­nen Per­so­nen in eine pre­kä­re und frus­trie­ren­de Lebens­si­tua­ti­on – gesell­schaft­lich wer­den sie iso­liert und außer Stan­de gesetzt, sich selbst zu versorgen.

Situation für Geflüchtete mit Aufenthaltserlaubnis

Geflüch­te­te mit einer Auf­ent­halts­er­laub­nis dür­fen unein­ge­schränkt arbei­ten. Jedoch gibt es auch für die­se Per­so­nen­grup­pe etli­che Pro­ble­me beim Zugang zum Arbeits­markt. Beson­ders für aus­ge­bil­de­te Fach­kräf­te dau­ern die Aner­ken­nungs­pro­zes­se von Zeug­nis­sen und Abschlüs­sen immer noch sehr lan­ge, zum Teil meh­re­re Jah­re. Zudem wer­den aus­län­di­sche Abschlüs­se häu­fig nicht als in Deutsch­land voll aner­kann­te Abschlüs­se gewer­tet. Dies ver­zö­gert für Fach­kräf­te mit Flucht­ge­schich­te den Ein­stieg in den Arbeits­markt enorm.

Hilfs­wei­se müs­sen die kom­pli­zier­ten Ver­fah­ren für die Auf­nah­me einer Beschäf­ti­gung bei Asylbewerber*innen und Gedul­de­ten extrem ver­ein­facht wer­den. Die Prü­fung und Klä­rung eines Arbeits­an­ge­bots durch die zustän­di­ge Aus­län­der­be­hör­de soll­te inner­halb kür­zes­ter Zeit erfol­gen, so dass das Arbeits­an­ge­bot nicht ver­lo­ren geht. Dies, sowie wei­te­re Maß­nah­men wie die Digi­ta­li­sie­rung des Beschäf­ti­gungs­er­laub­nis­ver­fah­rens, wür­den nicht nur die Geflüch­te­ten ent­las­ten, son­dern auch die Kom­mu­nen und Behör­den. Es wären weni­ger Ter­mi­ne bei den Aus­län­der- und Leis­tungs­be­hör­den nötig und Geflüch­te­te wür­den schnel­ler finan­zi­ell auf eige­nen Bei­nen stehen.

Zudem muss das Prin­zip der Iden­ti­täts­klä­rung und der Mit­wir­kungs­pflich­ten über­ar­bei­tet wer­den, so dass die Erfül­lung der Mit­wir­kungs­pflich­ten nicht gänz­lich vom good will der Sachbearbeiter*innen in den Aus­län­der­be­hör­den abhängt. Die­se gehen in der Regel nur von einer Erfül­lung der Mit­wir­kungs­pflich­ten zur Iden­ti­täts­klä­rung aus, wenn ein Natio­nal­pass vor­ge­legt wird. Jedoch ist es für vie­le geflüch­te­te Men­schen nicht mög­lich, die­sen zu beschaf­fen. Hier muss ein Modus geschaf­fen wer­den, nach dem die Ver­su­che der Pass­be­schaf­fung ange­mes­sen aner­kannt und nach einem abge­steck­ten Zeit­raum als erfüllt ange­se­hen wer­den, auch wenn kein Pass vor­ge­legt wer­den kann.

Auch muss der Bund im gro­ßen Stil in Deutsch­kur­se für alle inves­tie­ren, um Neu­an­kom­men­de auf den Arbeits­markt vor­zu­be­rei­ten. Außer­dem müs­sen alter­na­ti­ve Aner­ken­nungs­struk­tu­ren für aus­län­di­sche Abschlüs­se geschaf­fen wer­den, damit geflüch­te­te Fach­kräf­te mög­lichst schnell in dem Beruf arbei­ten kön­nen, für den sie aus­ge­bil­det wurden.

Zu guter Letzt braucht es für geflüch­te­te Men­schen die Mög­lich­keit eines Spur­wech­sels wäh­rend und nach den Asyl­ver­fah­ren, um die Mög­lich­keit zu haben, in einen Auf­ent­halts­sta­tus auf­grund einer Beschäf­ti­gung zu wech­seln, wie zum Bei­spiel den der Blue Card.

(nb, ta, fw)