Misshandelt, verschwunden und erfroren: Grupa Granica veröffentlicht Report zur Lage Schutzsuchender in Polen und dem Grenzgebiet zu Belarus

Zunehmend wird das Leid von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen marginalisiert und damit deren Entmenschlichung zum Normalzustand. Neben Bildern aus beispielsweise Calais, Samos oder Bihac, kommen verstörende Meldungen aus der polnischen Sperrzone hinzu. Ungefähr 700 Menschen halten sich dort noch auf, während ca. 2000 Schutzsuchende in gefängnisartigen Lagern untergebracht wurden – dort geht ihr Alptraum in der EU weiter.

Menschen, die es noch aus den Wäldern schaffen, leben in Baracken mit bis zu 25 Personen pro Zimmer. Ungefähr zwei Quadratmeter für einen Menschen legen polnische Behörden als Anspruch fest. Ihnen werden Telefone abgenommen, damit sie nicht über die Zustände berichten können. Personen werden mit Nummern oder Schimpfwörtern angesprochen. Es sind widerliche Formen von Entwürdigung, die von polnischen Verantwortlichen begangen und der EU legitimiert werden. Mit dem offiziellen Aussetzen asylrechtlicher Standards billigt und befeuert die Europäische Komission Menschenrechtsverletzungen durch polnische Armee, Grenzkräfte und Polizei.

Erschöpft und verzweifelt: Menschen, die Sicherheit in der EU suchten, werden durch polnische Grenzkräfte teils mehrfach Opfer von rechtswidrigen Pushbacks. Foto: Anna Maria Biniecka

NGOs letzte Instanz der Humanität

Natalia Gebert ist Mitglied der Grupa Granica, ein loser Zusammenschluss von 14 Organisationen[1], die sich aus Angst vor Kriminalisierung nicht zentral organisieren. Neben Spendensammlungen leistet das Kollektiv weitere Akuthilfen vor Ort: „Wir bieten psychologische Hilfe an, da viele Menschen durch die Gewalt von polnischen oder belarussischen Soldaten traumatisiert sind. Doch neben den Geflüchteten betreuen wir auch AnwohnerInnen der Sperrzone. Auch sie haben furchtbare Dinge erleben müssen und werden durch Drohungen der Polizei und Soldaten verängstigt, welche Hilfe legal ist und was bereits als illegale Beihilfe zur Flucht gewertet wird.“, so Gebert. Da für Asylantragstellung und Ablauf die Grenzbehörden in Polen zuständig sind und deren Ablauf niemand prüfen kann, bietet Grupa Granica auch rechtliche Beratung im Asylverfahren an.

Teile Polens sind rechtsfreier Raum

„Für diese Form der Hilfe brauchen wir externe AnwältInnen oder Übersetzung, die sehr teuer ist. Da wir fast alle im Ehrenamt arbeiten, sind wir für alle Spenden dankbar!“ erklärt Gebert. Im Moment läuft eine Kampagne auf Indiegogo, welche unter folgendem Link aufrufbar ist. Erschwert wird die Hilfe, weil die Betroffenen kaum erreicht werden. In die Sperrzone dürfen weder medizinisches Personal, Medien oder NGOs. Selbst polnischen Abgeordneten, die ihre Büros in dem Gebiet haben, wurde der Zutritt verwehrt. Zeichen des ausufernden Wahnsinns: Grenzbehörden versagten selbst Dunja Mijatovic, Menschenrechtskommissarin des Europarates Zugang zum Sperrgebiet.

Bei Temperaturen von -15 Grad versuchen kämpfen Schutzsuchende nachts in den Wäldern ums Überleben. Ohne Nothilfen und Spenden von NGOs wie Grupa Granica wäre die Lage noch dramatischer. Foto: Anna Maria Biniecka

Illegale Pushbacks; unterlassene Hilfeleistung; fehlende medizinische Versorgung; Unterdrücken medialer Berichterstattung; gewalttätige Übergriffe und menschenunwürdige Unterbringung von Schutzsuchenden: die Liste der Rechtsbrüche scheint kein Ende zu finden. Tatsächlich sind manche Gebiete Polens rechtsfreier Raum, in dem sich der „Stärkere“ durchsetzt. So erfolgen Kontrollen von Beamten in Zivil, die sich nicht ausweisen und mit Waffengewalt Befehle durchsetzen. Umso wichtiger, dass die Grupa Granica all diese unfassbaren Vorgehen dokumentiert hat. Nur durch das sichtbar machen all dieser Verbrechen, kann sich die Situation von Geflüchteten im Land verbessern und die Beteiligten der polnischen Regierung dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Den detaillierten Report von der Grupa Granica, der auch konkrete Hinweise zur Verbesserung der Lage vor Ort enthält, finden Sie HIER zum Download.

 

[1] Nomada Stowarzyszenie; Stowarzyszenie Interwencji Prawnej; Homo Faber; Polskie Forum Migracyjne;  Helsińska Fundacja Praw Człowieka; Salam Lab; Dom Otwarty; Centrum Pomocy Prawnej im. Haliny Nieć; CHLEBEM i SOLĄ; uchodźcy.info; RATS Agency; Kuchnia Konfliktu; Strefa WolnoSłowa; Przystanek „Świetlica” dla dzieci uchodźców

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