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Abschiebung reißt jesidische Familie auseinander – nur zwei Töchter bleiben

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Erneut wurde eine jesidische Familie in den Irak abgeschoben – dorthin, wo 2014 an der Gruppe ein Völkermord verübt wurde. Menschenrechtler sind empört.

Frankfurt – Der Abschiebungskurs der Bundesregierung zeigt offenbar weiter Folgen: Am Montag (20. November) wurde eine jesidische Familie aus Bayern samt zwei ihrer Kinder am Frankfurter Flughafen in ein Flugzeug gesetzt und in den Irak abgeschoben. Eindringliche Aufrufe im Vorfeld hatten die Behörden nicht von dem Vorhaben abgebracht. Umso größer ist die Enttäuschung bei Menschenrechtsorganisationen.

Jesidissche Familie wird, wo Genozid stattfand

„Dass nun jesidische Familien in den Irak abgeschoben werden, kommt einer Bankrotterklärung der deutschen Politik gleich“, sagte Kerem Schamberger, Referent für Flucht und Migration bei medico international, im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA. „Zum einen solidarisiert man sich mit den Jesid:innen als Opfer eines brutalen Genozids vor fast zehn Jahren und erkennt diesen Massenmord der IS-Terrormiliz als Völkermord an. Zum anderen schiebt man die Betroffenen zurück dorthin ab, wo sie diesen Genozid erlebt haben und wo der IS nach wie vor im Untergrund aktiv ist“, rügte er. „Wie das zusammengeht, sollen die für die Abschiebung verantwortlichen bayerischen Behörden mal erklären. Sie müssen dafür Verantwortung übernehmen.“

Auch Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, zeigte sich auf Anfrage enttäuscht. „Wir sind betroffen von der heutigen Abschiebung der jesidischen Familie K.“, betonte er. „Nicht nur sollte man davon absehen, Jesiden dorthin zurückzuschicken, wo sie vor wenigen Jahren noch vom IS verfolgt und ermordet wurden. Viele der damaligen Täter sind die Nachbarn von heute. Auch die Umstände der Abschiebung sind skandalös: Frühmorgens wird die Familie abgeholt, eine Tochter erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird in die Psychiatrie eingeliefert.“

Trotz Proteste wurde eine jesidische Familie heute am Frankfurter Flughafen per Flugzeug abgeschoben.
Erneut wurde eine jesidische Familie in den Irak abgeschoben. (Symbolfoto) © IMAGO/Daniel Kubirski

Dünnwald zufolge brauchte die Bundespolizei am Frankfurter Flughafen fast zwei Stunden, um die Familie zu beruhigen. Besonders dramatisch scheint die Situation, weil die Familie offenbar auseinandergerissen wurde. „Die Töchter, die beide eine Ausbildung in der Altenpflege machen, dürfen bleiben, Vater, Mutter und Geschwister werden abgeschoben. Ist das das neue Modell Fachkräftesicherung?“, fragte Dünnwald rhetorisch.

Hofreiter warnte vor Abschiebunge von Jesidinnen und Jesiden

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), hatte zuletzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor einer Abschiebung von Jesidinnen und Jesiden gewarnt. „Wir dürfen Jesidinnen und Jesiden nicht in Regionen zurückschicken, in denen islamistische Extremisten herrschen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Er forderte einen Abschiebestopp für die Minderheit.

In Deutschland leben rund 250.000 Menschen mit jesidischen Wurzeln – es ist die größte jesidische Diaspora in Europa. Viele Opfer des Völkermordes durch die Dschihadistenmiliz IS haben in Deutschland eine neue Heimat gefunden und könnten somit auch zur Erinnerungsarbeit beitragen.

Die Terrormiliz IS hatte 2014 das Sindschar-Gebirge im Nordirak erobert, wo die nicht-muslimischen Jesiden seit Jahrhunderten leben. In ihrem Herrschaftsgebiet im Nordirak und in Syrien zwang die IS-Miliz Frauen und Mädchen in die Sklaverei, rekrutierte Jungen als Kindersoldaten und tötete tausende Männer. (erpe)

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