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„Aktionsplan Afghanistan“

Außenministerin Baerbock gibt ein Statement zu Afghanistan

Außenministerin Baerbock gibt ein Statement zu Afghanistan, © Thomas Trutschel/photothek.de

23.12.2021 - Artikel

Afghanistan befindet sich in einer tiefen politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krise. Außenministerin Annalena Baerbock stellte heute die Eckpfeiler der künftigen Unterstützung vor. Im Fokus: Beschleunigung der Evakuierung und die Unterstützung für die Zivilbevölkerung.

Im August 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Die dramatischen Bilder vom Fall Kabuls gingen um die Welt. Seitdem befindet sich Afghanistan in einer schweren Krise. Außenministerin Baerbock betonte angesichts der schwierigen Lage:

Viele Menschen leben in täglicher Angst. Das gilt besonders für diejenigen, die mit uns für eine bessere Zukunft Afghanistans gearbeitet, daran geglaubt und sie gelebt haben. Am schwersten ist die Lage für die besonders gefährdeten Mädchen und Frauen. Gegenüber diesen Menschen haben wir eine Verantwortung, und wir werden sie nicht im Stich lassen.

Über 15.000 Menschen, denen wir fest zugesagt haben, sie bei uns aufzunehmen, sind weiterhin in Afghanistan. Es sind auch noch 135 deutsche Staatsangehörige im Land, die auch aufgrund individueller Umstände noch nicht ausgereist sind. Mir ist heute, vor dem Jahreswechsel, wichtig ihnen allen zu sagen: Sie sind nicht vergessen. Wir werden nicht lockerlassen, sondern arbeiten mit Hochdruck daran, sie in Sicherheit zu bringen.

Dringende Hilfe für Afghanistan

Gleichzeitig steuert Afghanistan derzeit in eine dramatische humanitäre Krise. Große Teile der Wirtschaft sind zusammengebrochen, bereits jetzt hungern viele Menschen. Über die Hälfte der afghanischen Bevölkerung, über 24 Millionen Menschen, werden in diesem Winter humanitäre Hilfe brauchen, um zu überleben. Außenministerin Annalena Baerbock unterstrich vor diesem Hintergrund die Dringlichkeit deutscher Unterstützung für Afghanistan:

Terrororganisationen wie der IS haben bereits begonnen, die Verzweiflung und die Perspektivlosigkeit der Menschen auszunutzen, um Nachwuchs zu rekrutieren. Und immer wieder erreichen uns Berichte über schwerste Menschenrechtsverletzungen, trotz aller Zusagen der Taliban.

Als neue Bundesregierung sind wir entschlossen, jetzt nicht wegzuschauen, sondern zu handeln, und zwar schnell. Wir haben uns auf einen Aktionsplan mit ersten konkreten Schritten verständigt, mit denen wir sofort beginnen.

Aktionsplan Afghanistan

Angesichts der schwierigen Lage in Afghanistan definierte Außenministerin Annalena Baerbock die Leitlinien eines Aktionsplans für Afghanistan. Folgende Maßnahmen stehen dabei im Fokus:

  1. Gemeinsame Lehren aus dem bisherigen Afghanistan-Engagement. Zwischen den Ressorts und zusammen mit dem Bundestag sollen die Lehren aus den bisherigen Entwicklungen gezogen werden. Dafür wurde mit der Analyse begonnen, welche Instrumente gut funktionieren und wo Verbesserungen notwendig sind, um den Menschen vor Ort schneller und zielgerichteter zu helfen. Dabei werden auch aktiv die Erfahrungen von Zivilgesellschaft und Unternehmen einbezogen, die schon bisher wichtige Beiträge bei der Evakuierung geleistet haben.
  2. Beschleunigung der Ausreise aus Afghanistan: Das Auswärtige Amt wird seine Arbeit hierzu stärker als bisher mit der Zivilgesellschaft vernetzen. Es wird ein regelmäßiger Austausch eingerichtet, um die Abstimmung zu verbessern und Kräfte zu bündeln. Außerdem wird ein neuer Anlauf in den Gesprächen mit Iran, Usbekistan und Tadschikistan unternommen, um zusätzliche Ausreiserouten aus Afghanistan zu eröffnen. Die gute Zusammenarbeit mit Katar und Pakistan wird fortgeführt.
  3. Abbau bürokratischer Hürden, um die Aufnahme und die Einreise nach Deutschland für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen zu erleichtern und Hindernisse im bisherigen Visumsverfahren zu reduzieren: Für bestimmte Fälle kann das eine digitale Datenerfassung und Sicherheitsüberprüfung vor Ausreise und eine Ausgabe von Visa in Transitländern oder bei Eintreffen in Deutschland beinhalten. Zudem laufen Gespräche, um alle Reisewege aus Afghanistan unbürokratischer zu gestalten. Bei der Definition der Kernfamilie von Menschen mit Aufnahmezusage und der Prüfung von Härtefällen soll die Lebensrealität der Menschen besser berücksichtigt werden.
    Gerade mit Blick auf die besondere Lage schutzbedürftiger Frauen und Mädchen sowie von Menschen mit familiären Bindungen in Deutschland wird ein humanitäres Aufnahmeprogramm geschaffen. Dabei wird die Zivilgesellschaft von Beginn an einbezogen werden. Auch die Familienzusammenführung soll vereinfacht und beschleunigt werden.
  4. Ausbau der humanitären Hilfe, um eine humanitäre Katastrophe kaum vorstellbaren Ausmaßes abzuwenden: Deutschland ist mit 600 Mio. Euro schon jetzt der größte humanitäre Geber. Diese Mittel stehen bereits für die Wintermonate zur Verfügung, in denen Kälte und Hunger drohen. Außenministerin Baerbock hat angekündigt, auf den Deutschen Bundestag zuzugehen, damit auch im kommenden Jahr die nötige Hilfe für das Überleben der Menschen zur Verfügung steht. Dafür wird die Außenministerin Gespräche mit dem Bundestag führen.
    Die deutsche humanitäre Hilfe wird ausschließlich durch die UN und andere unabhängige Organisationen erfolgen, um sicherzustellen, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie am meisten gebraucht wird – und nicht bei den Taliban.
    Zudem muss sichergestellt werden, dass dringend notwendige Hilfe nicht durch internationale Sanktionen blockiert wird. Hierfür laufen Gespräche mit internationalen Partnern, v.a. mit den USA. Deutschland hat angeboten, sich an einem Überwachungsmechanismus zu beteiligen.
  5. Deutsche Präsenz in Afghanistan: Um den Menschen in Afghanistan besser helfen zu können und eine genauere und direkte Lageeinschätzung vornehmen zu können, plant das Auswärtige Amt – in enger Abstimmung mit den europäischen und internationalen Partnern - im nächsten Jahr auch wieder vor Ort arbeitsfähig zu sein und eigenes Personal in Kabul zu haben.
  6. Besondere Unterstützung für Frauen und Mädchen: Damit Mädchen genauso wie Jungen weiter zur Schule gehen können, ist Deutschland grundsätzlich bereit, sich an den Gehältern für Lehrkräfte zu beteiligen. Bedingung dafür ist, dass Mädchen lernen und Frauen unterrichten dürfen und die bisherigen Lehrpläne beibehalten werden.
    Das Auswärtige Amt wird zusätzliche Stipendien für afghanische Studentinnen über die Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative Albert Einstein für ein Studium in der Region schaffen und so jungen Afghaninnen über Bildung den Weg in ein neues Leben ebnen.
    Frauen in Afghanistan sollen stärker vor genderspezifischer Gewalt geschützt werden. Um das zu erreichen, wird sich das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit UN Women für den Ausbau von Beratungszentren und Frauenhäusern einsetzen und helfen, dass die Stimme von Frauenrechtlerinnen in hochrangigen Gesprächsformaten gehört wird.
  7. Unterstützung für die afghanische Zivilgesellschaft: Mit konkreten Projekten werden Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft gestärkt, die ihre Arbeit in Afghanistan fortführen. Für Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidiger sowie Medienschaffende, die Afghanistan verlassen mussten, wird durch Schutz- und Förderprogramme die Möglichkeit geben, ihre Arbeit von Deutschland und anderen Staaten aus fortzusetzen. Speziell für Journalistinnen und Journalisten werden Stipendien in Deutschland zur Verfügung gestellt und Projekte zur Erhaltung einer offenen Medienlandschaft in Afghanistan entwickelt.

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