28.04.2023

Die Bun­des­re­gie­rung stellt heu­te im Bun­des­tag ihre Posi­ti­on zur euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik und den aktu­ell dis­ku­tier­ten Reform­plä­nen vor. In den Medi­en bekannt gewor­de­ne Aspek­te zei­gen, dass die Bun­des­re­gie­rung sich gefähr­lich weit von den Grund­sät­zen ihres men­schen­rechts­ba­sier­ten Koali­ti­ons­ver­trags ent­fernt. PRO ASYL reagiert ent­täuscht und ent­setzt auf die rot-grün-gel­be Eini­gung. Damit rücken Grenz­ver­fah­ren in Haft­la­gern an der EU-Gren­ze mit Ziel der Zurück­wei­sung in nicht siche­re Dritt­staa­ten immer näher.

Bei den Ver­hand­lun­gen um die Zukunft des euro­päi­schen Asyl­sys­tems geht es auch um die Zukunft von Recht­staat­lich­keit und Men­schen­rech­ten in der EU. Dass die Bun­des­re­gie­rung sich von ihren star­ken Men­schen­rechts­po­si­tio­nen nun zuneh­mend ver­ab­schie­det, ist ein dra­ma­ti­sches Signal. Der Druck von rechts­po­pu­lis­ti­schen Strö­mun­gen in der EU zur Abschaf­fung des Zugangs zum Recht auf Asyl ist enorm. Von der Rechts­staats­par­tei FDP, den für Flücht­lings­rech­te ein­tre­ten­den Grü­nen und einer sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei, deren Mit­glie­der vor Jahr­zehn­ten selbst ver­folgt wur­den, hät­ten wir die­ses Umfal­len nicht erwar­tet“, kom­men­tier­te Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa-Abtei­lung von PRO ASYL, bitter.

Laut Medi­en­be­rich­ten stimmt die Bun­des­re­gie­rung grund­sätz­lich der Ein­füh­rung ver­pflich­ten­der Grenz­ver­fah­ren zu, will die­se in ihrer Anwen­dung nur etwas mehr ein­schrän­ken als bis­lang dis­ku­tiert. Hier­zu gehört eine grund­sätz­li­che Aus­nah­me von Kindern.

„Grenz­ver­fah­ren sind der Kar­di­nals­feh­ler der letz­ten Jah­re, denn die Erfah­rung zeigt, dass Ver­fah­ren an der Gren­ze zu huma­ni­tä­ren Miss­stän­den, schlech­ten Ver­fah­ren und letzt­lich zu einer Ver­wei­ge­rung von Schutz füh­ren. Es ist auch frag­lich, ob es in die­sen Ver­fah­ren über­haupt noch um die Flucht­grün­de geht oder nur noch dar­um, in wel­chen außer­eu­ro­päi­schen Dritt­staat die flie­hen­den Men­schen geschickt wer­den kön­nen. Eine sol­che Zustim­mung zu Grenz­ver­fah­ren passt nicht zu dem Ver­spre­chen des Koali­ti­ons­ver­trags, bes­se­re Stan­dards für Schutz­su­chen­de in den Asyl­ver­fah­ren zu schaf­fen und das Leid an den Außen­gren­zen zu been­den“, so Kopp.

Zu der Posi­ti­on der Bun­des­re­gie­rung gehört auch, dass es zwar einen ver­pflich­ten­den Soli­da­ri­täts­me­cha­nis­mus bezüg­lich der Zustän­dig­keit für Asyl­ver­fah­ren geben soll, gleich­zei­tig das Dub­lin-Sys­tem aber ver­schärft wer­den soll.

„Die Bun­des­re­gie­rung will das geschei­ter­te Dub­lin-Sys­tem zusätz­lich ver­schär­fen. Schon jetzt führt das Sys­tem nicht nur zu einer Über­las­tung der Außen­grenz­staa­ten, son­dern auch zu star­ken Ver­zö­ge­run­gen beim Zugang zum Schutz. Die Ver­län­ge­rung der Über­stel­lungs­fris­ten von sechs auf zwölf Mona­te hät­te dra­ma­ti­sche Aus­wir­kun­gen für vie­le Schutz­su­chen­de. Ob ein Soli­da­ri­täts­me­cha­nis­mus hier über­haupt ein effek­ti­ves Kor­rek­tiv sein kann, ist höchst frag­lich. Auch hier droht die Bun­des­re­gie­rung Feh­ler der Ver­gan­gen­heit zu wie­der­ho­len“, mahnt Kopp.

Im ers­ten Halb­jahr 2023 wird im Rat unter der schwe­di­schen Rats­prä­si­dent­schaft über für die Zukunft des Flücht­lings­schut­zes in Euro­pa beson­ders rele­van­te Ent­wür­fe dis­ku­tiert: die Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung und die Asyl- und Migra­ti­ons­ma­nage­ment-Ver­ord­nung. Bis­lang hat­te die Bun­des­re­gie­rung zu ent­schei­den­den Punk­ten wie den Grenz­ver­fah­ren, der Anwen­dung von „siche­ren Dritt­staa­ten“ und den künf­ti­gen Zustän­dig­keits­re­geln kei­ne geein­te Posi­ti­on. Bis zum nächs­ten Rats­tref­fen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 müs­sen sich die Mit­glied­staa­ten auf Ver­hand­lungs­po­si­tio­nen eini­gen, um den Reform­pro­zess bis zur Euro­pa­wahl im Früh­jahr 2024 abschlie­ßen zu können.

Koali­ti­ons­ver­trag 2021:

Wir wol­len die ille­ga­len Zurück­wei­sun­gen und das Leid an den Außen­gren­zen been­den.

Wir wol­len bes­se­re Stan­dards für Schutz­su­chen­de in den Asyl­ver­fah­ren und bei der Inte­gra­ti­on in den EU-Staaten.“

Der Asyl­an­trag von Men­schen, die in der EU ankom­men oder bereits hier sind, muss inhalt­lich geprüft wer­den.“

PRO ASYL hat in einem Kurz­po­si­ti­ons­pa­pier die wich­tigs­ten men­schen­recht­li­chen roten Lini­en für die Ver­hand­lung benannt: https://www.proasyl.de/material/notwendige-rote-linien-der-bundesregierung-fuer-die-verhandlungen-zum-new-pact-on-migration-and-asylum/

In der Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­rung im Bun­des­tag zur euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik hat Wieb­ke Judith als rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin für PRO ASYL auf die Gefah­ren der Reform hin­ge­wie­sen: https://www.proasyl.de/material/stellungnahme-zur-oeffentlichen-anhoerung-des-innenausschusses-zur-reform-des-gemeinsamen-europaeischen-asylsystems-geas/

Alle Presse­mitteilungen