■ Das Portrait
: Herbert Leuninger

Wenn man bei ihm anrief – und natürlich rief man ständig bei ihm an, zu allen Tages- und Nachtzeiten, wenn es wieder irgendwo „brannte“ – dann wußte man nie so richtig, ob da am anderen Ende der Leitung einer geschäftsmäßig am Schreibtisch saß oder gemütlich im Wohnzimmer. Ein Gefühl, als platze man mit der Bitte um Stellungnahme mitten in die Privatsphäre eines Menschen hinein. Der Eindruck war wohl nicht falsch: Herbert Leuninger (62) hat seine Aufgabe zur Sache seiner ganzen Person gemacht – und umgekehrt.

Von seiner Arbeit kennen die meisten nur den Teil, der ihn in den letzten Jahren als Anwalt von „Recht- und Stimmlosen“ und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“ immer wütender in die Öffentlichkeit brachte. Leuninger, katholischer Pfarrer und 20 Jahre lang Ausländerreferent im Bischöflichen Ordinariat Limburg, hat 1986 die Flüchtlingsorganisation mit gegründet. Im September dieses Jahres gab er die ehrenamtliche Sprechertätigkeit auf. Am Freitag nun wird er auf dem Internationalen Basso-Tribunal in Berlin derjenige sein, der für Deutschland über die Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber Bericht erstattet.

Leuninger, der Mahner von „Pro Asyl“, sprach so eindringlich und überzeugend, daß der relativ kleine Kreis um „Pro Asyl“ bald zu der bundesweiten Instanz in Sachen Asyl- und Flüchtlingspolitik wurde. Was er sagte, wurde in den letzten Jahren immer notwendiger, weil es sonst kaum noch jemand aussprach: „Wenn wir nicht lernen, mit Flüchtlingen Stimme von „Pro Asyl“Foto: dpa

zu leben, werden wir nicht in der Lage sein, die wirklichen Herausforderungen einer zusammenwachsenden Weltgesellschaft zu bewältigen.“ Flüchtlinge seien „Botschafter des weltweiten Unrechts“. Wer so etwas sagt, macht sich nicht beliebt: „Als Asylantenfreund und Verräter“ beschimpften ihn anonyme Feinde und bewarfen sein Haus mit Steinen. Einen „Fanatiker“ zieh ihn der FDP-„Linke“ Burkhard Hirsch, den Leuninger dort gepackt hatte, wo einige es nie verzeihen – am schlechten Gewissen.

Auch die Kirche lag mit ihm oft über Kreuz – und er mit ihr. Daß beide Kirchen 1993 in die große Koalition für eine Asylrechtsänderung einschwenkten, muß eine der bittersten, bis tief in die eigene Person reichende Erfahrung gewesen sein. Manchmal, sagt Leuninger, fühle er sich wie ein „Narr, der an Positionen festhält, auf denen sonst niemand mehr ist“. Vera Gaserow